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Buds für alle Fälle? Die Shokz OpenFit Kopfhörer im stern-Soundcheck

Auf dem seit Jahren hart umkämpften Markt für Kopfhörer eine Nische zu finden, ist eine knifflige Sache. Hersteller Shokz hat es trotzdem versucht und überraschte vor ein paar Jahren (damals noch unter dem Namen Aftershokz) mit einer neuen Open-Ear-Technologie. Statt wie üblicherweise über Luftschall gelangen hier Beats und Bässe per Knochenschall zum Innenohr. Das erste Patent für die Bone Conduction Technologie hatte Shokz im Jahr 2011 angemeldet und gilt damit als Pionier dieses Prinzips, bei dem die Ohren selbst komplett frei bleiben.

Vor allem in Asien kamen die Knochenschall-Kopfhörer gut an. Nun will Shokz auch auf dem europäischen Kopfhörermarkt mitmischen. Dafür haben die Ingenieure im Fernen Osten zwar an der Open-Ear-Technologie festgehalten; mit Knochenschall hat der Shokz OpenFit aber nichts mehr am Hut. Die Vorzüge eines True-Wireless-Kopfhörers mit der Open-Ear-Idee zu kombinieren, sei das Ziel gewesen, hieß es bei der Vorstellung des OpenFit.

Shokz OpenFit: Der erste Eindruck

Bei unserem Test-Kit fischten wir die OpenFit aus einem matt-schwarzen, quadratischen, etwas klobigen Ladecase. Ausgestattet ist die kleine Schachtel mit einer USB-C-Schnittstelle und einer winzigen LED an der Vorderseite, die beim Aufklappen für wenige Sekunden in Grün oder Rot signalisiert, wie voll oder leer der Akku im Ladecase ist und ob die Schnellladefunktion zur Verfügung steht. Im Case liegen die neuen Stars von Shokz, die auf den ersten Blick etwas an die Powerbeats Pro erinnern. Doch es wird schnell klar, dass die Shokz OpenFit den In-Ear-Buds nur oberflächlich ähnlich sehen. Eine zweite kleine LED im Ladecase zeigt beim Aufklappen den aktuellen Ladestand der Kopfhörer an.

Statt eines Bügels, der die beiden Hörelemente bei den Knochenschall-Modellen verbindet, bestehen die OpenFit aus zwei separaten Hörern mit kurzem Bügel. Spannend: Akku und Treiber wurden beim Shokz OpenFit separat verbaut. Laut Hersteller, um eine bessere Balance und höheren Tragekomfort zu schaffen. Die kleinen Akkus verstecken sich an den Enden der Delfinbügel aus angenehm weichem Silikon, die beim Tragen hinter dem Ohr anliegen. Weil auf den ersten Blick nicht unbedingt auf der Hand liegt, welcher Bügel an welches Ohr gehört, wurden sie mit “L” und “R” gekennzeichnet. Kleine Eselsbrücke: Der Bügel, der rechts im Case liegt, gehört auch ans rechte Ohr. Das Herz der OpenFit schlägt am anderen Ende der Bügel. Der Treiber mit dem Ohrpolster ist elf mal 18 Millimeter klein. Es fällt sofort auch, dass sowohl innen als auch rechts und links unterschiedlich große Membrane verbaut wurden. Wie genau sich das aufs Klangerlebnis und die Sprachqualität auswirkt, klären wir später. Zudem erkennt man an der Innenseite neben dem Treibermodul die magnetische Ladeaufnahme fürs Case. Neben dem Shokz-Schriftzug entdecken Adleraugen noch die integrierten Touchpads, deren Mittelpunkt rechts mit zwei Punkten und links mit einem Strich markiert wurde. Das winzige Loch an der Außenseite ist fürs Noise Cancelling zuständig. Auch dazu später mehr.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass ein 60 Zentimeter langes USB-C-Kabel fürs Laden der OpenFit zum Lieferumfang gehört.

Luft- statt Knochenschall: Was ist neu daran?

Shokz legt Wert darauf, sich mit dem OpenFit nicht von der Knochenschall-Technologie verabschiedet zu haben. Stattdessen habe man eine neue Technologie eingeführt, mit der man neben den Knochenschall-Modellen OpenRun, OpenSwim und OpenComm auf dem europäischen Markt Fuß fassen will. Die Treiber des OpenFit senden die Audiosignale – wie die Buds vieler anderer Hersteller auch – via Luftschall an die Ohren der geneigten Hörer:innen. Nun wollte man bei Shokz aber gleichzeitig am patentierten Open-Ear-Konzept festhalten. Besagte Nische, die auf dem Kopfhörermarkt so schwer zu finden ist. Heißt: Der Hörer soll nur am Ohr, nicht aber komplett im Ohr platziert werden. Und das bei möglichst gleich guter Klangqualität. Und so, dass in Bus, Bahn, Flugzeug oder anderswo möglichst wenige bis gar keine Töne nach außen dringen. Eine knifflige Aufgabe für die Ingenieure im chinesischen Shenzhen.

Sie entwickelten dafür die DirectPitch-Technologie. Eine Technik, die den Abstand und den Winkel zwischen der Schallquelle und dem Ohr so optimieren soll, dass der Schalldruck, der in Richtung Gehörgang wirkt, größer ist als in andere Richtungen. Über sogenannte Phasenauslöschungen will man zudem Schalllecks reduzieren, also verhindern, dass Dritte gewollt oder ungewollt lauschen können. In unserem Test fühlte es sich zunächst so an, als könne jeder, der ein paar Meter weit wegsteht, Musik und Gespräche mithören. Das offene System irritiert das Gehirn. Tatsächlich funktioniert die Idee der Entwickler aber und der Schalldruck gelangt über die Membran an der Innenseite der OpenFit zum Ohr. Und auch nur dorthin. 

Steuerung & (Trage)-Komfort

Gesteuert werden die OpenFit über zwei kleine Sensorflächen an der Schalleinheit. Diese zu finden und zu treffen (insbesondere, wenn man in Bewegung ist), ist zunächst etwas knifflig. Mit etwas Übung funktionierte das bei uns aber gut – selbst beim Laufen. Ein kurzer Signalton bestätigt, dass man auf die richtige Stelle getippt hat. Ein Genie muss man auch nicht sein, um sich die Gesten zu merken. Es gibt nämlich nur zwei: Beim ersten Doppeltippen stoppt die Musikwiedergabe, wiederholt man das wird sie fortgesetzt. Hält man den Finger etwas länger auf die Sensorfläche geht’s in der Wiedergabeliste einen Titel zurück (links) oder einen Titel nach vorn (re,chts). Diese Standardeinstellungen können über eine von Shokz bereitgestellte App individuell angepasst werden. So kann eine Geste alternativ auch fürs Regulieren der Lautstärke benutzt werden. Nutzer:innen von Android betriebenen Smartphones dürfen sich freuen, denn Shokz hat die App für beide großen Mobil-Betriebssysteme entwickelt. Abgesehen von den Gesten bietet diese App allerdings kaum weitere Funktionen. Sie zeigt den Ladezustand von Case und Hörern. Dazu wurde ein Equalizer mit verschiedenen Modi integriert. Das war’s. 

Großen Wert legte Shokz nach eigenen Angaben auch auf den Tragekomfort seiner neuen Open-Ears. Das verarbeitete Silikon ist auffallend weich und fühlt sich sehr angenehm an. Im Innern soll ein gelartiger Kern dafür sorgen, dass sich die Hülle der Schalleinheit verformt und an jedes Ohr anpasst. Das ließ sich in unserem Test nur schwer überprüfen. Sitzen die Bügel einmal hinter den Ohren (das ist ein bisschen fummelig) verhalten sich die OpenFit aber im positiven Sinne unauffällig. Die Schalleinheit liegt ohne spürbaren Druck an den Ohren an. Hin und wieder vergisst man tatsächlich, dass sie da sind. Erschütterungen, die beim Laufen unvermeidlich sind, bringen die OpenFit nicht aus der Ruhe. Das Silikon sorgt dafür, dass die Buds keinen Millimeter verrutschen.  Dennoch spürten wir nach eineinhalb Stunden ein leicht unangenehmes Druckgefühl – vor allem am Übergang vom Bügel zur Schalleinheit. Das mag anatomische Gründe haben. Die Idee mit dem halbflüssigen Silikonkern geht aber offenbar noch nicht ganz auf.

Was fällt sonst noch auf? Sollen die OpenFit per Bluetooth mit einem Rechner oder Smartphone gekoppelt werden, müssen sie im Ladecase liegen. Um die Verbindung herzustellen, muss man zudem beide Sensorflächen einige Sekunden berühren. Egal, ob man das Gerät schon einmal mit den Buds gekoppelt hat oder nicht.

Soundcheck: So klingen die Shokz OpenFit

Das Wichtigste vorweg: Wer von den OpenFit denselben satten Sound erwartet, den die In-Ear-Konkurrenz bietet, könnte enttäuscht werden. Die Bässe wie auch die Mitten und Höhen sind durchaus passabel und deutlich präsenter als bei Knochenschall-Modellen wie dem OpenRun Pro. Der Abstand zum Gehörgang ist dennoch zu groß, um wirklich wuchtige Bässe realisieren zu können. Was die eigens für die OpenFit entwickelte Verstärkungstechnik Open Bass schafft, kann sich aber hören lassen. Wohl auch, weil die Treiber vergleichsweise groß dimensioniert sind. Zufrieden waren wir auch mit der integrierten AI-Geräuschunterdrückung. Die dämpft Nebengeräusche wie etwa Verkehrslärm zuverlässig, sodass die Gesprächspartner auf der Gegenseite davon weitgehend nichts mitbekommen. Kurzum: Die OpenFit sind sowohl fürs Home Office als auch für Outdooraktivitäten wie Radfahren, Wandern oder Laufen eine gute Alternative zu In-Ears. Also überall dort, wo es sinnvoll ist, sich nicht komplett von der Außenwelt abzuschotten. Zudem schonen sie den Gehörgang, auch wenn belastbare medizinische Studien dazu bisher nicht vorliegen. In Bus und Bahn würden wir dennoch weiterhin eher zu In-Ear Modellen greifen. Nicht unbedingt wegen der Bässe, sondern vielmehr wegen der unzähligen wichtigen Telefonate, die Mitreisende ungefiltert mit anderen Fahrgästen teilen.

Fazit Shokz OpenFit

Eine Revolution sind die Shokz OpenFit aus unserer Sicht nicht. Doch mit der neuen und gut umgesetzten Direct Pitch Technologie und dem Open Bass haben die Chinesen entscheidende Stellschrauben in die richtige Richtung gedreht – jedenfalls im Open-Ear-Bereich. Wer beim Musikhören die Ohren frei haben und dennoch satten Sound genießen möchte, macht mit den OpenFit nichts verkehrt. Auch im Home Office und beim Telefonieren schlagen sich die Leichtgewichte wacker. Die UVP von knapp 200 Euro ist allerdings eine Ansage. 

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