Ein Unfall auf der Bundesstraße, kein Mobilfunknetz, die Nachbarin muss mehrere Kilometer zu Fuß laufen, bis sie Hilfe erreicht. Wäre sie bewusstlos gewesen oder eingeklemmt ins Fahrzeug, und das alles womöglich in der Dunkelheit: Diese Episode hätte übel ausgehen können. Gemeinden ohne Mobilfunkversorgung und Straßen, auf denen kilometerlang „kein Netz“ im Handydisplay erscheint, gibt es in Deutschland zuhauf. Als am Dienstag Apple den neuen SOS-Rettungsdienst für die iPhone-14-Modelle freischaltete, konnten wir das Ganze praktischerweise auf dem heimischen Balkon ausprobieren. Zu Hause gibt es kein Netz. Die neue Notfallfunktion arbeitet mit dem Globalstar-Satellitensystem zusammen.
Seit Dienstag können Besitzer eines iPhones 14 in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Irland einen Notruf via Satellit absetzen. In den Vereinigten Staaten und Kanada funktioniert das schon etwas länger. Der Notruf erfolgt nicht als Telefonat, sondern mit Textnachrichten. Löst man das Satelliten-SOS aus, werden zunächst einige Basisinformationen abgefragt und zusammen mit dem im iPhone hinterlegten Notfallpass und dem eigenen Standort via Satellit an eine Bodenstation gesendet. Um den Satelliten anzupeilen, muss man das iPhone passend ausrichten.
Auf dem Display erscheint ein Hinweis, in welche Richtung es gegebenenfalls zu drehen ist. Im Haus hatten wir keinen Satellitenkontakt, draußen dauerte das Anpeilen ein, zwei Minuten und das Versenden einer Textnachricht ebenfalls länger als eine Minute. Währenddessen wurden wir aufgefordert, dem Satelliten zu folgen, also das Gerät entsprechend zu drehen.
Das Notrufsystem soll zunächst kostenlos sein
Von der Bodenstation aus wird der Notruf an eine Rettungsleitstelle weitergegeben, und es gibt die Option, die im iPhone hinterlegten Notfallkontakte darüber zu informieren. Die Notfallkontakte sehen den Standort des Anwenders, die Art des Notfalls und eine Live-Mitschrift der Konversation mit dem Notdienst. Zum Ausprobieren kann man in den Einstellungen des iPhones das Menü Notruf SOS wählen. Dort taucht als Menüpunkt ein Demomodus auf. Die Herstellung des Satellitenkontakts ist real, man erhält auch automatisiert erstellte Antworten von der Bodenstation retour, aber es wird kein Notruf ausgelöst.
Das iPhone 14 ersetzt zwar kein Satellitentelefon mit der Möglichkeit der Sprachtelefonie, hat mit der neuen Funktion indes einen hohen Mehrwert. Die Globalstar-Satelliten kreisen in einer Höhe von 1400 Kilometer über der Erde. Die größten Teile Afrikas, Indien und die Polarregionen werden nicht abgedeckt. Sportuhrenhersteller Garmin hat mit seinen Inreach-Geräten ein ähnliches Angebot: Die kleinen Satellitentelefone funktionieren ebenfalls nur mit Textnachrichten, funken aber im Iridium-Satellitennetzwerk, das eine höhere Abdeckung der Erde aufweist. Allerdings sind die Inreach-Geräte kompliziert in der Handhabung und erfordern ein zusätzliches Abonnement für die Satellitennutzung. Apples Notruf SOS ist in den nächsten zwei Jahren kostenlos.
Ein weiterer Pluspunkt der Satellitenanbindung des iPhones 14 besteht darin, dass man über die „Wo ist“-App, mit der man seinen Standort mit anderen Personen teilt oder die eigenen Apple-Geräte lokalisieren kann, den eigenen Standort mit seinen Freunden via Satellit teilen kann. Auch dann, wenn kein Notfall vorliegt und man den Lieben daheim nur mitteilen möchte, wo im wilden Funkloch-Taunus die Wandergruppe gerade unterwegs ist. Sollte Apple in einem nächsten Schritt auch das Versenden von iMessage-Nachrichten via Satellit erlauben, könnte der Konzern mit der neuen Funktionalität auch seine Position im Messaging-Bereich stärken.