In ganz Deutschland gibt es sehr lange Wartelisten für Impfungen mit Novavax. Das Interesse an dem Vakzin ist gewaltig, denn Proteinimpfstoffe funktionieren anders als die bisher in der EU verfügbaren Corona-Impfstoffe, die entweder auf Boten-RNA (mRNA, wie die Vakzine von BioNTech/Pfizer und Moderna) oder auf viraler Vektortechnologie (wie die Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson) basieren.
Bereits Ende 2021 hatte die EU-Arzneimittelbehörde EMA Nuvaxovid als fünften Impfstoff in der EU zugelassen. Insgesamt hat Deutschland 34 Millionen Impfdosen beim Hersteller Novavax bestellt, die ersten 1,4 Millionen Dosen Nuvaxovid sollen bereits vorliegen.
Alternative für Impfskeptiker, Schub für die globale Impfkampagne
Für Corona-Impfskeptiker sind Proteinimpfstoffe eine echte Alternative, denn diese werden bereits seit Jahrzehnten genutzt – zum Schutz vor Polio, Tetanus, Hepatitis-B oder Grippe. Sie bieten auch einen sehr guten Schutz vor dem Coronavirus, und verursachen noch weniger Nebenwirkungen als die bereits zugelassenen Impfstoffe.
Vor allem aber werden Proteinimpfungen dringend weltweit für die Impfkampagnen benötigt, denn in einkommensschwachen Ländern ist allen Versprechungen zum Trotz nur ein Bruchteil der Bevölkerung geimpft. Hier könnten proteinbasierte Impfstoffe einen extrem wichtigen Beitrag leisten, denn sie sind vergleichsweise günstig zu produzieren und lassen sich deutlich unkomplizierter transportieren und lagern als die komplexen mRNA-Impfstoffe.
“Viele unserer ersten Dosen werden in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen gehen, und das war von Anfang an das Ziel”, sagte Novavax-Chef Stanley Erck bei der Beantragung der Notfallzulassung bei der EMA im vergangenen Jahr.
Grundsätzlich könnten die proteinbasierten Impfstoffe auch gleich im globalen Süden hergestellt werden – wenn die Pharmakonzerne denn die Patente freigeben würden.
Wie funktionieren proteinbasierte Impfstoffe?
Proteinbasierte Corona-Impfstoffe enthalten einen winzigen Partikel des markanten Spike-Proteins, das auch in der “Hülle” des Coronavirus vorhanden ist. Das Immunsystem reagiert auf diese Proteine im Impfstoff. Dabei erfolgt die Immunreaktion deutlich schneller, weil der Körper – anders als bei anderen Impfstoffen – diese Spike-Proteine nicht erst noch produzieren muss.
Da die so vom Körper produzierten Nanopartikel anders als bei Impfungen mit mRNA-Vakzinen keine Erbsubstanzen enthalten, verursachen proteinbasierte Impfstoffe auch seltener Nebenwirkungen. Allerdings fällt auch die Impfantwort schwächer aus.
Um die Impfantwort zu verstärken, werden den Impfstoffen deshalb Wirkverstärker, sogenannte Adjuvanzien, zugefügt. Bei Novavax besteht das Adjuvans aus Nanopartikeln, die aus Saponinen (also ein Seifenbaumextrakt) und aus Phospholipiden (Membranbestandteilen) bestehen.
Bestimmte Adjuvanzien wie zum Beispiel Aluminiumsalze sind nach Auffassung von Impfgegnern gesundheitsschädlich. Allerdings wurde in entsprechenden Metastudien kein Zusammenhang zu schweren Nebenwirkungen oder Allergien nachgewiesen.
Langwierige Entwicklung
Bevor mRNA-Impfstoffe durch die Corona-Pandemie ihren Durchbruch feierten, galten proteinbasierte Impfstoffe als eine besonders zukunftsweisende, ausgereifte Technik, so Carlos Alberto Guzman, Leiter der Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum, im DW-Interview: “Proteinbasierte Impfungen sind einfach sehr gut bekannt, werden in der Regel besser toleriert, und es gibt da keine großen Fragezeichen. Ein Nachteil ist, dass die Entwicklung von proteinbasierten [Impfstoffen] länger dauert als bei Vektoren- oder mRNA-Impfstoffen.”
Denn es braucht Zeit, die Bauanleitung für ein Spike-Protein in die Zellen zu integrieren, die aus Mikroben, Säugetieren, Insekten oder Pflanzen gewonnen wurden. Die letzten Monate haben gezeigt, wie aufwändig es ist, die gereinigten Proteine so anzupassen, dass sie wirklich fehlerfrei im großen Maßstab produziert werden können.
Aber wenn dies erst einmal geschafft ist, sind proteinbasierte Impfstoffe ernstzunehmende Alternativen für die bereits etablierten Vektor- und mRNA-Impfstoffe.
Wie wirksam sind Corona-Proteinimpfstoffe?
Laut Novavax soll der Impfstoff auch gegen die Omikron-Variante wirken. Zwar sei die Immunreaktion nach zwei Impfdosen noch vergleichsweise gering. Aber nach einer dritten Impfung – also einem Booster in einem Abstand von sechs Monaten nach der zweiten Spritze – erhöhe sich der Schutz gegen Omikron signifikant.
Das Paul Ehrlich-Institut merkt an, dass derzeit nur begrenzte Daten über die Wirksamkeit von Proteinvakzinen gegen Omikron und anderen bedenkliche Varianten vorliegen.
Zwar lag der Novavax-Impfstoff Mitte 2020 bei Untersuchungen in den USA und Mexiko mit einer Gesamtwirksamkeit von 90,4 Prozent mit den mRNA-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna etwa gleich auf. Aber das war noch vor Bekanntwerden der Delta- und Omikron-Varianten, die ja auch den mRNA-Impfstoffen zu schaffen machen.
Deswegen muss auch der Novavax-Impfstoff an die neue Virus-Variante angepasst werden. Ein Omikron-spezifischer Impfstoff ist laut Novavax bereits in der Entwicklung, die klinischen Studien sollen noch bis Ende März 2022 beginnen.
Doppelter Schutz vor SARS CoV-2 und Influenza
Praktischerweise ist der Novavax-Impfstoff ein Kombinationsimpfstoff, der gleichzeitig vor dem Coronavirus und der saisonalen Grippe schützen soll. Das könnte sich als clevere Strategie erweisen, denn dann müsste man nicht mehr zwischen den Impfungen warten und könnte sich gleich gegen beides impfen lassen.
Laut Guzman “stellt der kürzlich erschienene Preprint des Novavax-Protein-COVID-19-Impfstoffs NVX-CoV2373 einen Durchbruch dar. Er liefert den ersten Nachweis, dass ein COVID-19-Impfstoff gleichzeitig mit einem saisonalen Influenza-Impfstoff in zwei verschiedenen Armen verabreicht werden kann, ohne dessen Wirksamkeit zu beeinträchtigen.”
Kann Novavax auch liefern?
Die Erwartungen an den proteinbasierten Impfstoff von Novavax sind also gewaltig. Insgesamt hat das Unternehmen nach eigenen Angaben Lieferverträge im Volumen von zwei Milliarden Dosen abgeschlossen, davon 110 Millionen Dosen in den Vereinigten Staaten. Aber ausgerechnet im Heimatland des US-Unternehmens lässt die Zulassung weiter auf sich warten.
Nuvaxovid wurde zunächst nur in Indonesien und auf den Philippinen verimpft, Ende 2021 folgte dann die Zulassung in der EU. Für den wichtigen US-Markt beantragte Novavax die Genehmigung erst Ende 2021 und damit fast ein Jahr später als geplant.
Ob die US-Aufsichtsbehörden eine Freigabe erteilen, hängt unter anderem davon ab, ob der vergleichsweise kleine Pharmakonzern sein Produkt auch uneingeschränkt liefern kann. Und da gibt es gewisse Zweifel – auch in der Europäischen Union.
Denn in der Vergangenheit sei Novavax mehrfach durch Hinweise aufgefallen, dass die Lieferungen nicht fristgerecht erfolgen könnten, sagte der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach Ende letzter Woche. Man sei aber im engen Austausch und er gehe davon aus, dass die Lieferung fristgerecht ankomme. Bis Ende März sollen nach Angaben des Ministeriums vier Millionen Dosen Nuvaxovid in Deutschland zur Verfügung stehen.
Auch andere vielversprechende Kandidaten
Auch andere Impfstoffhersteller wie der indische Pharmakonzern Biological E und der chinesische Konkurrent Clover Biopharmaceuticals werden in nächster Zeit Anträge auf die Zulassung ihrer proteinbasierten Impfstoffe stellen. Ebenfalls in den Startlöchern stehen der britisch-französische Pharmariese Sanofi-GlaxoSmithKline, das kanadische Unternehmen Medicago und der südkoreanische Pharmakonzern sk bioscience.
Entwickelt werden proteinbasierte Impfstoffe allerdings in vielen Ländern. In einigen, wie Kuba, Russland und Taiwan, sind proteinbasierte Impfstoffe längst ein zentraler Pfeiler der nationalen Impfkampagnen gegen das Coronavirus.