In der SPD steigt der Druck auf den ehemaligen Bundeskanzler und früheren SPD-Bundesvorsitzenden Gerhard Schröder, angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine seine Tätigkeiten für russische Staatskonzerne zu beenden. Ein solcher Schritt wurde am Samstag nun auch von führenden SPD-Politikern aus Schröders politischer Heimat in Niedersachsen gefordert. Der niedersächsische Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzende Stephan Weil veröffentlichte am Samstagnachmittag eine Erklärung, in der es heißt, die niedersächsische SPD stehe angesichts des russischen Angriffskrieges klar auf der Seite der Ukraine.
„Deswegen muss auch Gerhard Schröder sein Engagement in russischen Energieunternehmen beenden und damit die Anstrengungen der Bundesregierung und des gesamten Westens unterstützen“, fordert Weil. Mit Blick auf die dünne Erklärung Schröders vom Donnerstag, in der sowohl der Name Putins wie auch jegliche Selbstkritik fehlt und es schillernd heißt, es liege in Russlands Verantwortung, dass der Krieg „schnellstmöglich beendet“ werde, äußert Weil, dabei könne es „nicht bleiben.“ Weil erinnert zugleich daran, dass sich Schröder große Verdienste auch in der Friedenspolitik erworben habe, indem er Deutschland aus dem Irak-Krieg herausgehalten habe.
„Es ist überfällig, die geschäftlichen Beziehungen zu Putin zu beenden“
Auch der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil distanzierte sich am Samstag deutlich von Schröder. „Dieser Krieg geht einzig und allein von Putin aus“, schrieb der gegenwärtig an Corona erkrankte Klingbeil auf Facebook. „Und deshalb kann es nur eine logische Schlussfolgerung geben: Mit einem Aggressor, mit einem Kriegstreiber wie Putin macht man keine Geschäfte. Als Bundeskanzler a.D. handelt man nie komplett privat. Schon gar nicht in einer Situation wie der jetzigen. Es ist deswegen überfällig, die geschäftlichen Beziehungen zu Putin zu beenden. Das erwarte ich unmissverständlich.“
Auch Klingbeil stammt aus der Niedersachsen-SPD. Und auch Klingbeil erinnerte ähnlich wie Weil an den Irak-Krieg. Beide Statements wurden am Samstagnachmittag zudem fast zeitgleich veröffentlicht. Offenkundig handelte es sich um ein abgestimmtes Vorgehen.
Nach F.A.Z.-Informationen gingen den Erklärungen Versuche voraus, mit Gerhard Schröder ins Gespräch zu treten und ihn zum Rückzug von seinen Tätigkeiten für das Putin-Regime zu bewegen. Die Veröffentlichung der beiden Erklärungen am Samstagnachmittag sind dahingehend zu verstehen, dass diese Versuche kurz zuvor gescheitert sind.
Ebenso wie Klingbeil forderte am Samstagnachmittag auch dessen Co-Vorsitzende Saskia Esken Konsequenzen: „Rosneft und Gazprom sind nun Infrastruktur eines blutigen Angriffskrieges. Mit seinen dortigen Mandaten schadet Gerhard Schröder dem Ansehen Deutschlands und der Sozialdemokratie. Geschäfte mit einem Kriegstreiber sind mit der Rolle eines Altkanzlers unvereinbar“, schrieb Esken auf Twitter. Die Wortmeldungen von Klingbeil und Esken sind als Teil eines grundsätzlichen Strategieschwenks in der Russland-Politik zu verstehen, den die SPD am Samstag vollzog.
In der Causa Schröder machte am Samstag auch Manuela Schwesig, der selbst zu große Nachsicht gegenüber Putin in der Vergangenheit vorgeworfen wird, plötzlich Druck: Der frühere Bundeskanzler müsse sein „Engagement in russischen Energieunternehmen beenden“, forderte die SPD-Politikerin und Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern auf Twitter.
Die Forderungen in Richtung Schröder hatten zuvor bereits in anderen SPD-Landesverbänden zugenommen, die in der Vergangenheit nicht Russland-nah waren wie Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
Martin Günthner, langjähriger Bremer Senator und stellvertretender Fraktionsvorsitzende der SPD in der Bremischen Bürgerschaft, bezeichnete den Umgang seiner Partei mit der Causa Schröder als „larmoyant“. „Eigentlich schämen sich viele Sozialdemokraten nur noch für Gerhard Schröder“, sagte Günthner der F.A.Z. und forderte die Parteispitze auf, diese Entwicklung nicht zu ignorieren. „Die Parteispitze taucht in der Frage derzeit ab, die Brisanz des Falls ist dort offenbar noch nicht angekommen.“ Günthner forderte: „Man muss Gerhard Schröder in der Partei jetzt zu einer persona non grata machen.“
Auch die sachsen-anhaltische SPD-Landesvorsitzende Juliane Kleemann forderte am Samstag Konsequenzen. „Meine Forderung an Gerhard Schröder lautet, dass er sich unmissverständlich und öffentlich von Putin distanziert und jegliche Aktivitäten für russische Staatsunternehmen mindestens ruhen lässt“, sagte Kleemann der F.A.Z. „Arbeit für einen Kriegstreiber in Kriegszeiten ist absolut inakzeptabel.“