Zu den Unterzeichnern gehören die Feministin Alice Schwarzer, der Schriftsteller Martin Walser und der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar: 28 Prominente warnen in einem offenen Brief an Kanzler Olaf Scholz vor einem dritten Weltkrieg.
Es dürfe keine weitere Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine geben, fordern die Unterzeichner von Scholz. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin dürfe kein Motiv für eine Ausweitung des Krieges auf die Nato geliefert werden, schreiben sie in dem am Freitag veröffentlichten Brief.
Der Bundestag hatte am Donnerstag mit großer Mehrheit die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gebilligt. Anders als viele Kritiker, die Scholz eine zaudernde Haltung vorwerfen, bekunden die Unterzeichner des Briefes ihre Unterstützung dafür, dass der Bundeskanzler bisher alles getan habe, um eine Ausweitung des Ukrainekriegs zum dritten Weltkrieg zu vermeiden.
»Wir hoffen darum, dass Sie sich auf Ihre ursprüngliche Position besinnen und nicht, weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine liefern. Wir bitten Sie im Gegenteil dringlich, alles dazu beizutragen, dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können.«
Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören auch der Autor Alexander Kluge, der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel, der Sänger Reinhard Mey, die Kabarettisten Gerhard Polt und Dieter Nuhr, die Schauspieler Lars Eidinger und Edgar Selge und die Schriftstellerin Juli Zeh.
Unterzeichner sehen »Risiko der Eskalation dieses Krieges zu einem atomaren Konflikt«
Sie betonen zwar, dass Putin mit dem Angriff auf die Ukraine das Völkerrecht gebrochen habe. Dies rechtfertige aber nicht, das »Risiko der Eskalation dieses Krieges zu einem atomaren Konflikt in Kauf zu nehmen«. Die Lieferung großer Mengen schwerer Waffen könnte Deutschland selbst zur Kriegspartei machen. »Ein russischer Gegenschlag könnte sodann den Beistandsfall nach dem Nato-Vertrag und damit die unmittelbare Gefahr eines Weltkriegs auslösen.«
Eine zweite »Grenzlinie« sei das Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung. »Dazu steht selbst der berechtigte Widerstand gegen einen Aggressor in einem unerträglichen Missverhältnis. Wir warnen vor einem zweifachen Irrtum: Zum einen, dass die Verantwortung für die Gefahr einer Eskalation zum atomaren Konflikt allein den ursprünglichen Aggressor angehe und nicht auch diejenigen, die ihm sehenden Auges ein Motiv zu einem gegebenenfalls verbrecherischen Handeln liefern. Und zum andern, dass die Entscheidung über die moralische Verantwortbarkeit der weiteren »Kosten« an Menschenleben unter der ukrainischen Zivilbevölkerung ausschließlich in die Zuständigkeit ihrer Regierung falle. Moralisch verbindliche Normen sind universaler Natur.«
Der offene Brief wurde auf der Website des Magazins »Emma« veröffentlicht. Jede und jeder sei eingeladen, ebenfalls zu unterzeichnen, sagte Schwarzer der Deutschen Presse-Agentur.
Kritik an dem Brief kam umgehend: Der einzig mögliche Kompromiss sei die »vollständige Wiederherstellung territorialer Integrität der Ukraine«, schrieb die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die auch Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags ist.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle nannte die in dem Brief dargestellte Position der Unterzeichner »Wahnsinn«.
Kritik kam auch von Andrij Melnyk, dem ukrainischen Botschafter in Deutschland. Die Unterzeichner des Briefes hätten das Prinzip »Nie wieder« mit Füßen getreten, schrieb er auf Twitter. »Nichts aus der Geschichte gelernt. Traurig.«