In zwei Wochen wählt Nigerias Bevölkerung einen neuen Präsidenten. Die Wahl kommt in einer Zeit, in der der Frust über Unsicherheit, illegalen Ölhandel und Inflation zunimmt.
Einer geht bei den kommenden Wahlen nicht mehr ins Rennen: Für Präsident Muhammadu Buhari (80) geht im Mai die zweite Amtszeit zu Ende, das ist gemäß der Verfassung auch seine letzte.
Mit den vielen Herausforderungen, die in Afrikas bevölkerungsreichstem Land und stärkster Volkswirtschaft dringend zu stemmen sind, wird sich also in jedem Fall ein neuer Präsident befassen müssen. Darüber hinaus sind Nigerianerinnen und Nigerianer auch aufgerufen, Abgeordnete für beide Kammern ihres Parlaments neu zu wählen. Auch hier könnte es deutliche Verschiebungen geben – bevor dann am 11. März über die Vertretungen der Bundesstaaten abgestimmt wird.
Das Wichtigste im Überblick:
Wer steht zur Wahl?
Von den insgesamt 18, fast ausschließlich männlichen Präsidentschaftskandidaten rechnen sich angesichts der Umfragen besonders drei Herren Chancen aus: Bola Tinubu, der Kandidat des regierenden Kongress aller Progressiven (APC), Atiku Abubakar von der Volksdemokratischen Partei (PDP) – der stärksten Oppositionspartei – und Peter Obi von der Labour Party (LP).
Doch da es kaum zuverlässige, landesweite Erhebungen gibt, bleiben diese Vorhersagen vage. Als sicher kann aber gelten, dass die Regierung einen entscheidenden Vorteil hat: Sie kann die staatlichen Strukturen nutzen, um ihre Anhänger zu mobilisieren.
Für Tinubu und Abubakar, die Kandidaten der zurzeit wichtigsten Parteien Nigerias, spricht, dass sie in verschiedenen Regionen des ethnisch und religiös diversen Staats verankert sind. Peter Obi indes kommt seine Außenseiterrolle zugute, die ihm Sympathien vor allem in der Generation junger Menschen einbringt, die ob der angespannten Wirtschaftslage und großen Unsicherheit zunehmend desillusioniert sind.
Worum geht es bei der Wahl?
Nigeria ist Afrikas größter Erdölproduzent und zudem ein wichtiger Verbündeter auch für westliche Länder im Kampf gegen islamistischen Terror in Westafrika. Doch beim nigerianischen Wahlvolk sind ganz andere Themen obenauf: Ihm macht besonders die wachsende Unsicherheit im Land zu schaffen. Diese zeigt sich in vielfältiger Weise – durch Entführungen und Lösegelderpressungen im Nordwesten, die islamistische Bedrohung durch Boko Haram im Nordosten, durch separatistische Bestrebungen mit gewaltsamen Auseinandersetzungen im Südosten oder durch die seit Jahrzehnten andauernden, ethnisch konnotierten Spannungen zwischen Bauern und Viehhütern im Zentrum. Eine grassierende Polizeigewalt brachte zudem 2020 eine neue Protestbewegung unter dem Hashtag #EndSARS hervor.
Hinzu kommt eine Inflation im zweistelligen Bereich, so hoch wie lange nicht mehr. Für viele Menschen ist das Leben schwieriger als noch vor acht Jahren, als Muhammadu Buhari die Führung übernahm. Globale Entwicklungen wie die Corona-Pandemie hatten hier ihren Anteil. Endgültig in den Keller ging der Kurs der Lokalwährung Naira im vergangenen Jahr, als illegale Pipelines den massiven Diebstahl von Rohöl im Nigerdelta offenbarten. Auch die Korruption, der Buhari einst den Kampf ansagte, bleibt ein ungelöstes Problem.
All dies verstärkt die Abwanderung gebildeter Nigerianer, die wiederum die Schieflage in dem ohnehin schwachen Gesundheitswesen, im Finanzwesen oder der Technologiebranche weiter verschärfen.
Welche Lösungen bieten die politischen Parteien?
Die wichtigsten Parteien PDP und APC lassen sich kaum entlang ideologischer Linien auseinanderhalten. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass der Wettbewerb um schwindende Einnahmen aus dem Ölexport, Patronagesysteme und ethnische Rivalitäten zu entscheidenden Faktoren bei der Wahl werden dürften.
Peter Obi, der noch 2019 als Vizepräsidentschaftskandidat an der Seite von Atiku Abubakar ins Rennen ging, hat sich zwar seit seinem Austritt aus dessen PDP das Image eines Reformers zugelegt. Doch auch sein politisches Programm erinnert an jene seiner härtesten Konkurrenten.
Alle drei – Tinubu, Abubakar und Obi – setzen ihre Priorität darauf, die Wirtschaft wiederzubeleben und der Unsicherheit Einhalt zu gebieten. Dafür versprechen sie, die Sicherheitskräfte besser zu bezahlen und auszurüsten. Alle wollen den Devisenmarkt reformieren und mehr in Bildung investieren. Alle drei kündigen zudem in ihren Programmen an, die Benzinsubventionen aufzuheben, die den Staat im vergangenen Jahr rund zehn Milliarden US-Dollar (9,34 Milliarden Euro) gekostet haben. Allein der Weg dahin gestaltet sich unterschiedlich.
Wie werden die Wahlen ablaufen?
Mehr als 93 Millionen Menschen haben sich für die Wahl registrieren lassen – drei Viertel davon sind zwischen 18 und 49 Jahren alt. Jetzt geht es für die Parteien darum, diese Stimmen auch tatsächlich zu bekommen. Viele jüngere Nigerianer geben an, mit den zwei Kandidaten der großen Parteien – beide mehr als 70 Jahre alt – nichts anfangen zu können. Laut Zahlen der Wahlkommission lag die Wahlbeteiligung 2019 gerade einmal bei 35 Prozent.
Auch für die Glaubwürdigkeit der Wahlen gibt es keine Vorschusslorbeeren: Wahlbeobachter warnen, die lange Geschichte des Wahlbetrugs in Nigeria dürfe sich nicht wiederholen. Immerhin verspricht die nationale Wahlkommission, dieses Jahr mit einem biometrischen Wähleridentifikationsprogramm Abhilfe zu schaffen: Mithilfe von Fingerabdrücken und Gesichtserkennung soll jeder Versuch der Wahlfälschung im Keim erstickt werden. Ergebnisse sollen noch am Wahltag vor den Wahllokalen ausgehängt und elektronisch an das Portal der Wahlkommission übermittelt werden, wo sie in Echtzeit für die Bevölkerung abgebildet werden sollen.
Mit dem offiziellen Wahlergebnis wird binnen fünf Tagen nach der Wahl gerechnet. Zum Sieg braucht es nicht nur die meisten Stimmen landesweit, sondern außerdem mindestens ein Viertel der Stimmen in zwei Dritteln der 36 Bundesstaaten und der Bundeshauptstadt. Ansonsten werden sich die zwei Bestplatzierten nach drei Wochen zur Stichwahl präsentieren.
Wie groß ist die Gefahr von Zwischenfällen?
Das alles mag nach einer strammen Organisation klingen – und doch gibt es Sorgen um die Sicherheit während der Wahlen. Vergangene Woche etwa wurden alle Universitäten angewiesen, für mehrere Wochen – vom 22. Februar bis zum 14. März – ihre Türen zu schließen. In der Vergangenheit waren Bildungseinrichtungen oft zum Ziel von Angriffen und Entführungen. Laut der zuständigen nationalen Kommission bestanden Sicherheitsbedenken für Mitarbeiterinnen und Studenten und Eigentum. Man habe sich vorab intensiv mit den relevanten Sicherheitsdiensten beraten.
Dazu kommt eine ganz praktische Überlegung: Laut Wahlgesetz dürfen Menschen ihre Stimme nur in ihrem Wahlkreis abgeben. Für Studentinnen, die ganze 28 Prozent der Wählerschaft ausmachen, dürfte die Schließung der Universitäten die Teilnahme an den Wahlen oft überhaupt erst möglich machen.