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Architekturbiennale: Zur Zukunft des Bauens in Afrika

Eine Ideenwerkstatt, ein “Labor der Zukunft” will die 18. Ausgabe der Architekturausstellung am Lido (bis 26.11.2023) sein. Sie erstreckt sich auf 63 Nationenpavillons, sie füllt die alten Backsteinhallen des Arsenals, der einstigen Schiffswerft und Flottenbasis der früheren Republik Venedig. Architekten aus aller Welt geben sich ein Stelldichein. Und doch ist manches anders in diesem Jahr: Denn die Schau steht im Zeichen von Klimawandel und Aufarbeitung der Kolonialzeit. “Es geht um Fragen der Produktion, der Ressourcen und der Repräsentation”, wie Chefkuratorin Lesley Lokko im Vorfeld ankündigte, “es geht um Veränderung.”

Die wird nötig sein: Die Weltbevölkerung wächst nach Prognosen der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2050 von heute acht auf knapp zehn Milliarden Menschen an. Allein in Subsahara Afrika könnte sich die Bevölkerung verdoppeln. “Krass”, findet das Peter Cachola Schmal, Architekturexperte und Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main. Denn Fakt ist: Diese Menschen brauchen – und wollen – ein Dach über dem Kopf. 

Großer Baubedarf in Afrika

Mit Bedacht richtet Lesley Naa Norle Lokko den Fokus auf den afrikanischen Kontinent. Die ghanaisch-schottische Architektin, Hochschullehrerin und Schriftstellerin kuratiert die zentrale Biennale-Ausstellung, zu der sie 55 Büros aus der ganzen Welt eingeladen hat. Mehr als die Hälfte kommt aus Afrika oder hat afrikanische Wurzeln. 

Auf diesem Kontinent sind die Folgen von Klimaerwärmung, Ressourcenverbrauch und Migration besonders sichtbar. Hier sieht Lokko die größten Herausforderungen für die Architektur: “Wir sind der Kontinent mit der jüngsten Bevölkerung der Welt, der schnellsten Urbanisierung und einem jährlichen Wachstum von vier Prozent, oft auf Kosten lokaler Ökosysteme – wir stehen also auch an der Spitze des Klimawandels.”

Ohne Zweifel hat Afrika einen gigantischen Baubedarf. Doch wie bauen in Zeiten des Klimawandels, wenn Gebäudebau und -betrieb laut WWF für rund 40 Prozent der klimaschädlichen Emissionen sorgen, wenn allein die Zementherstellung rund acht Prozent der Treibhausgase weltweit verursacht? Ein Dilemma: “Was bedeutet es für das CO2-Management der Welt, wenn unvorstellbare Mengen an Zement auf einmal in Afrika hergestellt werden?”, fragt Architekturexperte Schmal im DW-Gespräch. Seine Antwort: “Diese Zukunft widerspricht all unseren Zielen, die Welt vor dem Klimakollaps zu retten.”

Unterstützung beim Bau kommt schon jetzt von China 

Hinzu kommt die ganz praktische Frage: Wer soll die eine Milliarde Wohneinheiten bauen, um all die Menschen unterzubringen, die in die wachsenden Megastädte strömen?  Wer, wenn nicht China? Chinas Strategie sei es seit Jahren, die afrikanische Infrastruktur aufzubauen, sagt Schmal. “Und die Chinesen können das.” Sie hätten im eigenen Land gezeigt, wie man binnen weniger Jahre für zig Millionen Leute Infrastruktur – Wohnen, Bauen, Transport – herstellt. “Sie haben die Erfahrung, die wir nicht haben”, so Schmal. “Das hat der Westen verschlafen.” 

Wird die Architekturbiennale also zum Weckruf? Ein Schaufenster der Ideen dürfte die Schau am Lido allemal sein, dekoriert erstmals von einer Frau, die in Afrika aufwuchs und, wie manche hoffen, “einen anderen Blick auf die globale Architekturwelt hat.”  

Kuratorin Lesley Lokko: In vielen Welten zuhause

Die 1964 geborene Tochter eines Ghanaers und einer Schottin wuchs in Ghanas Hauptstadt Accra auf, studierte Hebräisch und Arabisch in Oxford, danach Architektur in London, wo sie auch promoviert wurde. Sie hat auf vier Kontinenten gelehrt. 

Berühmtheit erlangte Lesley Lokko durch ihre Schriftstellerei: Seit 20 Jahren veröffentlicht sie Romane, die eine politisch-moralische Messlatte an das Zeitgeschehen legen – von “Sundowners” (2003) bis zu “Soul Sisters” (2021). Viele handeln vom Leben schwarzer Frauen in allen Ecken der Welt. 

Mit zwei Reizworten befeuert die Architektin die Zukunftsdebatte ihrer Zunft. “Dekarbonisierung” und “Dekolonisierung” – die Abrüstung beim CO2-Ausstoß und die Bewältigung des Erbes der Kolonialisierung. Beides dürfte am Lido diskutiert werden. Und wie schon auf der documenta 15, der weltgrößten Kunstausstellung 2022 in Kassel, wird die Stimme des globalen Südens dabei deutlich vernehmbar sein. 

“Der Westen muss sich vorbereiten”

Die Zukunft des Planeten, glaubt Architekturexperte Schmal, entscheidet sich in Afrika. Die Lebensbedingungen für die Bevölkerung Subsahara Afrikas müssten “auskömmlich” sein, warnt er. “Und es wäre klug, sich an der Hilfe zu beteiligen.” Andernfalls drohten neue Flüchtlingsströme. “Der Westen muss sich vorbereiten!” 

Und was machen die Deutschen auf der diesjährigen Architekturbiennale? Der deutsche Pavillon in den Giardini steht unter dem Motto “Open for Maintenance – Wegen Umbau geöffnet”. Das Kuratorenteam von Summacumfemmer, Ach+ und Büro Juliane Greb hat sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Der Pavillon wurde so übernommen, wie die Berliner Künstlerin Maria Eichhorn ihn für die Kunstbiennale im letzten Jahr gestaltet hatte: Sie hatte die Grundstrukturen des von den Nazis umgewandelten Baus freigelegt.

Schon vor Wochen hat die Architekturbiennale den Gewinner des Goldenen Löwen verkündet, auch das ein Fingerzeig in Richtung Afrika: Der nigerianische Künstler, Designer und Architekt Demas Nwoko erhält die Auszeichnung für sein Lebenswerk.

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