Unter den Personen aus dem Umfeld der »Reichsbürger«-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß, bei denen die Bundesanwaltschaft in dieser Woche Hausdurchsuchungen vornehmen ließ, befindet sich auch der Ex-Ehemann der Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht, Ralph Thomas Niemeyer. Das bestätigte Niemeyer, der sich nach eigenen Angaben derzeit in Moskau aufhält, auf SPIEGEL-Anfrage.
Seine Wohnräume in München seien während seiner Abwesenheit von »zehn Beamten mit Maschinengewehren« durchsucht worden, sagte er. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte die von Niemeyer selbst öffentlich gemachte Durchsuchung auf Anfrage. Niemeyer werde in dem Verfahren jedoch lediglich als Zeuge geführt und nicht als Beschuldigter. Zu Details wollte sie sich nicht äußern.
Aus dem Durchsuchungsbeschluss, dessen Inhalt dem SPIEGEL bekannt ist, ergibt sich eine undurchsichtige Geschichte. Demnach sollen Aktivisten der Truppe um Prinz Reuß Wagenknechts Ex-Mann, der für seine Russlandverbindungen bekannt ist, gebeten haben, einen Kontakt zur Kremlspitze in Moskau herzustellen.
Exklusiver Kreis für abhörsicheres Satellitentelefon
Prinz Reuß gilt als Kopf einer radikalen Politsekte , die wilden Verschwörungsideologien anhing und einen gewaltsamen Umsturz geplant haben soll. Von Russland erhofften sich die mutmaßlichen »Reichsbürger«-Putschisten offenbar Unterstützung. Der Generalbundesanwalt beschuldigt Reuß und mehr als 50 weitere Verdächtige der Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Zu den Vorwürfen wollte sich der Verteidiger von Prinz Reuß gegenüber dem SPIEGEL bislang nicht äußern.
Eine der Beschuldigten – eine ehemalige Bundestagskandidatin der »Querdenker«-Partei Die Basis – soll Niemeyer am 30. November 2022 angerufen und gefragt haben, ob dieser einen Kontakt zu dem russischen Außenminister Sergei Lawrow oder Präsident Wladimir Putin herstellen könnte.
In dem Telefonat habe Niemeyer erwähnt, dass er selbst »Teil einer Exilregierung« sei, eine Kontaktherstellung zum Kreml aber nicht einfach sei. Zwar gehöre er zu einer Gruppe von 9999 ausgewählten Personen, die ein abhörsicheres Satellitentelefon mit vierstelliger Nummer erhalten hätten, mit dem man direkten Kontakt zu Kremlsprecher Dmitrij Peskow sowie der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, aufnehmen könne. Doch um dieses spezielle Telefon zu benutzen, brauche man einen »wirklich sehr guten Grund«.
Am 5. Dezember 2022 soll es eine weitere Kontaktaufnahme gegeben haben. Niemeyer sei nach dessen Angaben bei einer Rede in Wittenberg von einer Frau namens »Swetlana« angesprochen worden. Diese habe ihm mehrere Schreiben von Prinz Reuß an den Kreml übergeben.
Die auf russisch verfassten Briefe seien auf Mai 2021 datiert gewesen und hätten unter anderem die Bitte an den russischen Präsidenten Putin enthalten, mit Prinz Reuß als Vertreter der Regierung des »Deutschen Imperiums« in Verhandlungen über einen Friedensvertrag nach dem Zweiten Weltkrieg zu treten.
Das kam Niemeyer offenbar nicht ganz geheuer vor. Wenige Tage später, am 8. Dezember, meldete er sich beim Bundesamt für Verfassungsschutz und übermittelte dem Inlandsnachrichtendienst die Schreiben.
Auf Nachfrage sagte Niemeyer zu der Razzia: »Die haben das falsche Gebäude gestürmt, denn wenn sie das Bundesamt für Verfassungsschutz durchsucht hätten, hätten sie die von mir überreichten Originaldokumente dort gefunden.« In dem Durchsuchungsbeschluss heißt es hingegen, die Unterlagen der besagten »Swetlana« seien »nur unvollständig« als Scan übermittelt.
Laut Durchsuchungsbeschluss diente die Razzia am Mittwoch der Suche nach weiteren Beweismitteln wie »E-Mails, Chatprotokollen, SMS-Nachrichten« und anderen Daten, die Aufschluss über »Ziele, Struktur und personelle Zusammensetzung« der »Reichsbürger«-Truppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß geben könnten sowie über »Kontakte und Kommunikationswege zu weiteren Beschuldigten oder noch unbekannten Mittätern, Mitgliedern oder Unterstützern«.
Unterstützer, die womöglich in Russland sitzen? Nach Erkenntnissen von Bundesanwaltschaft und Verfassungsschutz hatte die Politsekte schon früher Kontakt zum Kreml gesucht . So observierten Ermittler Prinz Reuß, wie er am 13. Juni 2022 mit einer Begleiterin das russische Generalkonsulat in Leipzig betrat – und erst nach knapp zwei Stunden wieder verließ.