Der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hält das Sondervermögen für die Bundeswehr für nicht mehr ausreichend. »Die 100 Milliarden werden nicht reichen«, sagte der SPD-Politiker der »Süddeutschen Zeitung«. »Wir haben mit jedem neuen System auch neue Unterhaltungskosten. Mit jedem neuen Gerät entstehen also neue und höhere laufende Kosten.« Auch den regulären Etat von rund 50 Milliarden Euro im Jahr hält der 62-Jährige auf Dauer für zu wenig. »Ich gehe nicht davon aus, dass das reicht.«
Das Sondervermögen war im vergangenen Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eingerichtet worden. Es soll eine bessere Ausstattung der deutschen Armee ermöglichen. Im vergangenen Jahr flossen noch keine Mittel aus dem Sondervermögen ab, es wurden lediglich Verträge mit Rüstungsfirmen im Volumen von gut zehn Milliarden geschlossen.about:blank
Verteidigungsexperten haben gewarnt, dass die Sonderkreditlinie von 100 Milliarden Euro bei Weitem nicht ausreichen werde, um die Bundeswehr wieder umfassend und modern auszustatten. Auch die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, hatte vor Kurzem von einem Finanzbedarf von 300 Milliarden Euro gesprochen.
»Panzer stehen nicht irgendwo im Regal zum Mitnehmen«
Pistorius räumte ein, dass die Bundeswehr auch durch die Waffen- und nun auch Panzerlieferungen an die Ukraine dringend und schnell Nachschub benötige. »Panzer stehen nicht irgendwo im Regal zum Mitnehmen. Die haben eine Lieferzeit, und das sind nicht drei Wochen. Und Munition wächst nicht auf Bäumen und will nur gepflückt werden«, sagte Pistorius. Deutschland werde kurzfristig nicht in der Lage sein, den Bedarf zu decken. »Mittel- und langfristig müssen wir in Europa eine Rüstungsindustrie aufbauen, die das kann. Nicht jeder muss jedes Waffensystem entwickeln. Und wir sollten zu standardisierten Waffensystemen kommen in Europa.«
Pistorius kündigte dazu einen engen Schulterschluss mit der Industrie an, um Produktionskapazitäten auszuweiten und Lieferungen zu beschleunigen. Kommende Woche werde er sich mit der Rüstungsindustrie an einen Tisch setzen. »Wir müssen schneller bei der Beschaffung werden«, sagte der Minister.
In Bezug auf Leopard-2-Panzer unterstrich der Verteidigungsminister in dem Zeitungsinterview zudem, dass Deutschland durch deren Lieferung nicht zur Kriegspartei werde. »Nur wissen wir auch, dass Putin sich für das Völkerrecht nicht sonderlich interessiert. Aber wir setzen ein klares Signal der Entschlossenheit«, fügte er hinzu.
Pistorius: Aussetzen der Wehrpflicht ein Fehler
In dem Interview äußerte sich Pistorius auch zum Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011. »Wenn Sie mich als Zivilisten fragen, als Staatsbürger, als Politiker, würde ich sagen: Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen.«
Die Wehrpflicht sei unter anderem wichtig gewesen, um in der Gesellschaft einen stärkeren Bezug zur Bundeswehr zu haben. »Früher saßen an jedem zweiten Küchentisch Wehrpflichtige«, sagte Pistorius. »Auch dadurch gab es immer eine Verbindung zur Zivilgesellschaft.« Es gelte nun, die Bundeswehr »erst mal so attraktiv machen, dass sich gute junge Leute für sie interessieren und sich bewerben«, sagte der Verteidigungsminister.