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Die Speisekartenwende

Energie liefert beides, doch klimatisch gesehen ist das Essen noch lange nicht auf dem Niveau der Stromproduktion angekommen. Dort, beim Strom nämlich, wird genau gerechnet, und jedes Kilowatt bekommt ein Label: öko oder klimaschädlich. Beim Essen tun wir uns dagegen deutlich schwerer mit der Kennzeichnung. Den Menschen den Appetit verderben wollen weder der Handel noch die Erzeuger. Stattdessen traktiert man die hochgeschätzte Kundschaft mit schwer durchschaubaren Bio-, Öko- und Tierwohl-Etiketten.

Spätestens wenn man außer Haus isst, kommt davon aber nicht mehr viel an. Dabei ist die Chance, auf der Speisekarte die moralische Mitverantwortung für das Erdsystemmanagement zu dokumentieren und diese gleichsam in die Hände der hungrigen Gäste zu legen, noch keineswegs verstrichen. Ein Trio von Psychologen der Universität Würzburg hat das in der Online-Fachzeitschrift „PLOS Climate“ ausführlich dokumentiert. 265 Teilnehmer – drei Viertel Frauen, Durchschnittsalter 35 Jahre – haben Ann-Katrin Betz, Gerhild Nieding und Benedikt Seger für die Menüwahl am Computer gewinnen können, bei der die Karte den CO2-Abdruck der Speisen enthielt.

Nun ist die Simulation eines Restaurantbesuchs am Computer an sich zwar ein äußerst fragiles Unterfangen. Davon abgesehen, hat die Studie doch sehr eindeutig die an Zahl und Vielfalt beeindruckenden Voruntersuchungen in Kantinen und Esslaboren vollends bestätigt: Je mehr Informationen und Auswahlmöglichkeiten für eine klimafreundliche Zusammenstellung des Menüs mitgeliefert werden – ob mit Zahlen gespickt oder farbig codiert –, desto größer ist die Bereitschaft zur Klimarettungshilfe beim Essen.

Wichtig ist, dass die klimafreundlichste Variante (die meistens eine vegane oder vegetarische ist), ganz oben auf der Karte, sprich als Standardauswahl, präsentiert wird. Im Grunde ist damit nahezu jede denkbare Variante für Klimaschutzanreize im Restaurant schon mehrfach durchgetestet worden. Wissenschaftlich ist das Klimalabel also angerichtet. Anbeißen müssen die Anbieter allerdings schon selber.

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