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Erst geküsst, dann gewürgt

Die Beweise scheinen sich zu erhärten. Am Samstag wurde M. B. ins Gefängnis von Bilbao überstellt. Der 25 Jahre alte Kolumbianer hatte sich am Donnerstag freiwillig bei der Polizei gemeldet, um seine Unschuld zu beteuern: Sein Foto war auf einem Fahndungsaufruf aufgetaucht, der ihn mit einer Mordserie unter homosexuellen Männern in der nordspanischen Stadt in Verbindung brachte. Es geht um mindestens vier Morde und zwei Mord­versuche. Die Ermittlungsbehörden schließen jedoch nicht aus, dass es mehr gewesen sein könnten. In Madrid und Valencia wird wegen ähnlicher Fälle ermittelt. Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre es eine der schlimmsten Mordserien der vergangenen Jahre.

Der Täter nahm offenbar über eine Dating-App Kontakt zu den schwulen Männern auf. Er traf sie in deren Wohnungen, wo er sie mit einer Überdosis Rauschgift betäubte und tötete, um dann an ihre Kontodaten zu gelangen. Am Freitag wandte sich nach Angaben der baskischen Regionalregierung ein zweiter Mann an die Polizei, der dem Täter lebend entkommen war.

Die Anzeige eines ersten Opfers, das im Dezember vor dem mutmaßlichen Mörder geflohen war, hatte die Polizei auf die Spur von M. B. gebracht. Der Überlebende hatte den jüngeren Mann in seine Wohnung eingeladen, der ihn erst geküsst und dann gewürgt habe. Nach dem Kampf ließ der Angreifer in der Wohnung seinen Rucksack mit flüssigem Ecstasy und Dokumenten zurück, die angeblich mit M. B. in Verbindung standen.

Zuerst als natürliche Todesfälle eingestuft

Erstes Misstrauen hatte im Oktober 2021 der Tod eines 43 Jahre alten Klavierlehrers in Bilbao geweckt. Zunächst sah alles nach einem überraschenden Herzversagen des gesunden Mannes aus. Aber nach seiner Beisetzung stellte sein Bruder fest, dass das Konto des Opfers geleert wurde. Blutproben der ersten Obduktion wurden daraufhin ein zweites Mal überprüft. Jetzt stießen Forensiker auf Reste von Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB); diese Substanz kennt man auch als „Liquid Ecstasy“. Weitere Recherchen ergaben, dass sich das Opfer über ein Datingportal mit einer Person namens „Carlos“ verabredet hatte, die Mitte 20 war. Die Polizei begann damit, ähnliche Todesfälle von drei Männern in Bilbao zu untersuchen, die bis dahin als natürliche Todesfälle eingestuft worden waren.

Am Freitag durchsuchten Beamte in der Grenzstadt Irun eine Wohnung in der Gegenwart des Hauptverdächtigen, der vor gut drei Jahren aus Kolumbien nach Spanien gekommen war und dort einen Asylantrag gestellt haben soll. Angeblich war gegen ihn schon einmal wegen Betrugsverdachts ermittelt worden. Er bestreitet alle Vorwürfe. In Irun lebt auch seine Freundin. Im Laden ihrer Mutter hatte er laut Medien­berichten zeitweise ausgeholfen. Der Freund ihrer Tochter sei ein „guter, ruhiger, fleißiger und bescheidener“ junger Mann, sagte die Frau, die eine Hähnchenbraterei betreibt.

Im Baskenland erschüttern die jüngsten Nachrichten besonders die homo- und transsexuellen Einwohner. Einige Vertreter von LGTBI-Verbänden kritisierten, dass die Behörden bisher geschwiegen hätten. Man habe die ­Menschen nicht unnötig in Unruhe versetzen wollen, hieß es aus der Regionalregierung.

Zuvor hatten LGTBI-Gruppen die Zunahme von gewaltsamen Übergriffen kritisiert, gegen die nicht entschieden genug vorgegangen werde. „Die schwule Gemeinschaft fühlt sich nicht ausreichend geschützt“, sagt Óscar Arroyuelo vom Gehitu-Verband. Laut einem Bericht der Universität des Baskenlandes kam es allein in dieser Region im vergangenen Jahr zu 73 Verbrechen aus Hass auf die sexuelle Orientierung der Opfer. Die meisten seien homosexuelle Männer gewesen.

quelle

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