Natürlich sind Spinnereien wie die Adrenochrom-Verschwörung, weswegen Sänger Xavier Naidoo vor der Kamera weinte, völliger Unfug. Niemand sitzt in dunklen Kellern und trinkt eimerweise das Blut kleiner Kinder. Aber die Grundidee, dass sich eine kleine Gruppe von Eliten gerne über den natürlichen Alterungsprozess und den damit einhergehenden Verfall des menschlichen Körpers, der letztlich für alle im Tod endet, hinwegsetzen will, ist sehr real. Große Wissenschaftlicher unserer Zeit arbeiten in den Laboren von Altos, Calico oder der Metuselah Foundation, viele beziehen ihre Gelder von Milliardären wie Peter Thiel und Jeff Bezos.
Das Ziel: Altersbedingte Krankheiten bekämpfen, Zellen erneuern, Leben verlängern. Dabei geht es natürlich auch darum, im hohen Alter so fit zu sein wie mit Mitte 20, aber letztlich auch um eine deutliche Verlängerung der Zeit, die den Superreichen auf der Erde bleibt. Wie der “Guardian” berichtet, nimmt Altos noch in diesem Jahr die Arbeit in drei Laboren auf, um menschliche Zellen zu verjüngen.
Langes Leben in vollen Zügen genießen
Professorin Janet Lord von der Universität Birmingham zeigte sich im Gespräch mit der Zeitung enthusiastisch: “Es geht bei dieser Arbeit nicht darum, den Tausendjährigen Menschen zu erschaffen, sondern darum, das Alter genießen zu können und es nicht bloß aushalten zu müssen. Wir sprechen hier also nicht von einer Erweiterung der Lebensspanne, sondern der Gesundheitsspanne.”
Die Altos Labs wurden 2021 gegründet und sind nur ein Baustein in einem Geflecht zahlreicher Unternehmen, die sich dem “echten” Anti-Aging verschrieben haben. Der Mail.ru-Gründer Yuri Milner gehört zu den Gründern des Unternehmens. Zuletzt erhielt das Unternehmen rund drei Milliarden US-Dollar von Investoren, die sich selbstverständlich brauchbare Ergebnisse von der Forschung versprechen. Unter den Geldgebern ist auch Amazon-Gründer Jeff Bezos.
Generell zeigt sich der ehemalige Amazon-Chef umtriebig, was Investitionen in Unternehmen betrifft, die sich der Verlängerung des Lebens verschrieben haben. So habe er Berichten zufolge bereits 2016 mit Peter Thiel mehrere Hundert Millionen Dollar zusammengelegt, um das Start-up Unity Biotechnology zu finanzieren, welches Medikamente entwickeln möchte, um altersbedingte Krankheiten wie Arthrose, Sehverlust und kognitiven Verfall effektiv einzudämmen.
Peter Thiel peilt 120 Jahre an
Der umstrittene Paypal-Gründer und Investor Peter Thiel gilt als besonders aktiv bei Bemühungen, sein Leben möglichst effektiv zu verlängern. In einem Interview gab er bereits vor fast zehn Jahren an, 120 werden zu wollen. Der 54-Jährige investiert seine Millionen dafür in Unternehmen wie beispielsweise die Metuselah Foundation, deren Leitspruch lautet: “Wir machen bis 2030 90 zum neuen 50”.
Der “Guardian” schreibt, Thiel sei sich auch nicht für alternative Methoden wie die Verwendung jungen Blutes zur Verjüngung des eigenen zu schade. Ganz im Stile des Silicon Valley gab es tatsächlich entsprechende Start-ups, die Plasmainfusionen als Anti-Aging-Behandlung anboten, doch schon 2019 warnte die amerikanische Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) vor derartigen Eingriffen und ernsten Nebenwirkungen. Ein gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker.
Für das Silicon Valley scheinen das Alter und letztlich der Tod Probleme zu sein, die sich ähnlich wie ein Programmierfehler bei Software beheben lassen. Zumindest gestaltet sich die Suche nach einer Lösung erstaunlich ergebnisorientiert, forscht nach Ursachen und setzt an unterschiedlichen Stellen mit diversen Lösungen an. Das geht über den Austausch von alten Zellen mit neuem Material über Medikamente bis hin zum Austricksen bestimmter Organe wie dem Thymus. Dieser ist nur in der Kinder- und Jugendzeit aktiv und verleiht bestimmten weißen Blutkörperchen (Lymphozyten) ihre immunologische Prägung. Verhindert man, dass er seine Funktion einstellt, wäre ein Verlauf von Infektionen im Alter deutlich schwächer.
Gefrorene Köpfe
Es gibt sogar eine Art Exit-Strategie, sollte der Tod unausweichlich sein: Wie man es vielleicht aus der Serie “Futurama” kennt, arbeitet der amerikanische Kryonik-Konzern Alcor daran, Menschen so einzufrieren, dass man sie im Falle medizinischer Durchbrüche auftauen und wiederbeleben könnte – zumindest lautet so das Werbeversprechen.
Die Kosten für einen Gefriersarg belaufen sich auf 200.000 US-Dollar und eine jährliche Gebühr. Tatsächlich lassen sich 120.000 US-Dollar sparen, wenn man sich dafür entscheidet, nur den Kopf einzufrieren. Ja, auch das kennt man aus “Futurama”. Auch hier steht Peter Thiel auf der Kundenliste, zusammen mit 1337 anderen Personen.
Unabhängig von den Vorteilen, die sich die Milliardäre von ihren Investments versprechen, hat das viele Geld für die Forschung durchaus einen realen Nutzen. Janet Lord meint: “Wir haben eine alternde Bevölkerung, aber wir leben länger, ohne gesünder zu leben. Wenn man etwas mit seinen Milliarden machen will, ist das ein gutes Ziel.” Professorin Lorna Harries von der Universität Exeter stimmt zu: “Ich bin froh, dass sie ihr Geld in etwas investieren, das meiner Meinung nach auf lange Sicht einen sehr greifbaren Nutzen haben wird. Wenn es Ihnen wirklich ernst damit ist, etwas in die Klinik zu bringen, werden wir das nicht mit akademischen Zuschüssen erreichen können.”
Mehr Gesundheit für alle
Der unbedingte Willen, das eigene Leben zu verlängern und die Milliarden länger genießen zu können, könnte letztlich dafür verantwortlich sein, dass schlimme Krankheiten, denen viele Menschen im Alter zum Opfer fallen, besser behandelt werden können. Womit man wieder beim Statement von Professorin Lord wäre: Es geht darum, das Alter genießen zu können und nicht nur auf den Tod warten zu müssen. Bisher zumindest bleibt das Leben vorerst also endlich – aber eventuell im hohen Alter deutlich erträglicher.