Frankfurt Magzin

“Ich befürchte die Pleite”: Warum die Deutsche Post Plattenläden gegen sich aufbringt

Musik auf Vinyl – das ist auch in Zeiten von Streamingdiensten für viele Musikfans in aller Welt immer noch das einzig Wahre.

Haben Plattenläden in Deutschland die gesuchte rare Platte auf Lager, werden die schwarzen Scheiben auch gerne aus anderen Ländern oder vom anderen Ende der Welt bestellt. Seit 2019 bietet die Deutsche Post AG dafür die “Warenpost international” an. Kosten: von 3,70 Euro ohne Sendungsverfolgung innerhalb der Europäischen Union bis 7,35 Euro in alle anderen Länder mit Tracking – günstiger als der Versand bei den Mitbewerbern.

Doch damit soll bald Schluss sein: Ab 1. Juli soll die “Warenpost international” in der bisherigen Form nicht mehr für Schallplatten zur Verfügung stehen, denn die Scheiben sind dann mit 30,48 Zentimetern Durchmesser zu groß. Eine Seite der Sendungen darf dann nur noch 25 Zentimeter lang sein. Bislang darf die Länge von 60 Zentimetern nicht überschritten werden.

Plattenhändler – der Service ist nur für Geschäftskunden verfügbar – müssen dann auf eine andere, teurerer Versandart zurückgreifen, zum Beispiel auf das “Päckchen M” der Post-Tochter DHL, mit erheblichen Mehrkosten. Der Versand in der EU ist ab 8,89 Euro zu haben, die weltweite Zustellung schlägt mit 15,89 Euro zu Buche – ohne Sendungsverfolgung. Dieser Service kostet 2,50 Euro (EU) bzw. 4,00 Euro (übrige Länder) extra.

Plattenhändler fürchtet um Existenz

Zu teuer, findet Dirk Borrmann. Er betreibt seit 2008 den Plattenladen “Drake Records Vinyl Store” in Köln-Kalk und erwartet “drastische Probleme, besonders für kleine Händler”. Sollte die Deutsche Post ihr Vorhaben wie geplant umsetzen, würden nach Ansicht des Plattenhändlers die Versandkosten doppelt bis dreimal so hoch ausfallen wie der Preis einer durchschnittlichen Schallplatte.

Der “Drake Vinyl Store” hat seinen Angaben zufolge vor der Coronavirus-Pandemie ein Drittel seines Umsatzes über den Versandhandel gemacht, im ersten Quartal 2022 waren es als Folge der langen Ladenschließungen sogar 70 Prozent. “Für die Preiserhöhung gibt es kaum einen schlechteren Zeitpunkt als jetzt”, meint Borrmann. Viele der Sendungen gingen in die USA.

Die Pandemie und eine Mieterhöhung haben seinem Geschäft ohnehin schon zugesetzt, nun sagt der 48-Jährige: “Ich befürchte pleitezugehen”. Er kenne auch viele Plattenhändler-Kollegen, Buchhändler und Inhaber von Antiquariaten, die ähnliche Sorgen vor einem Einbruch des Versandhandels haben. Die Pläne der Post bezeichnet er als “nicht hinnehmbar”.

Mit einer Online-Petition fordert Borrmann von der Deutschen Post AG, die “Warenpost international” zu den bisherigen Konditionen zu erhalten. Rund 10.000 Menschen (Stand: 23. Mai) haben bereits unterschrieben, sie sorgen sich um die Zukunft der meist inhabergeführten Schallplattengeschäfte.

Deutsche Post AG hält an Plänen fest

Rund 25 Kilometer Luftlinie von Borrmanns 30 Quadratmeter großem Laden entfernt, im gläsernen, 162 Meter hohen Bonner Post-Tower, weiß man von der Diskussion um die “Warenpost international”. Alexander Edenhofer ist Sprecher des Unternehmens und sagt: “Von der Petition haben wir Kenntnis und viele Händler sind auch direkt auf uns zugegangen.” Er gibt zu bedenken: “Die Kosten unserer Partner im Ausland haben sich erhöht, sodass wir unsererseits erhebliche Kostensteigerungen zu verzeichnen haben.” Das Produkt drohe damit, zu einem Zuschussgeschäft zu werden. “Das können wir so nicht weiterlaufen lassen”, erklärt der Post-Sprecher im stern-Interview weiter. 

Die möglichen Folgen für Plattenhändler “tun uns leid”, dennoch sei der grenzüberschreitende Versand von Schallplatten letztlich ein sehr kleiner Teil der Sendungsmenge, der aber aufgrund des Formats in den Briefnetzen sehr kostenintensiv sei. Edenhofer verwies auf Angebote des Konzerns für den Paketversand. Konkrete Preise konnte der Sprecher nicht nennen, diese hingen unter anderem von der Menge der Sendungen sowie dem Bestimmungsland ab.

Dirk Borrmann überzeugt das nicht. “Die in einem Kalkulator für Geschäftskunden angegebenen, mengenabhängigen Paket-Preise wären nur haltbar, wenn man eben auf eine bestimmte Menge an Sendungen jährlich käme – gleichzeitig jedoch werden die deutlich höheren Versandkosten den Verkauf alles andere als ankurbeln”, meint er im Gespräch mit dem stern. “Somit wird das Einhalten der Mindestmenge an Sendungen sehr unwahrscheinlich.”

Der Plattenhändler will sich nun – auch mit seiner Petition – an die Bundesnetzagentur wenden. “Sie ist ja dafür zuständig, den Versand zu vertretbaren Preisen sicherzustellen.”

Das sagt die Bundesnetzagentur zur “Warenpost international”

Dort wäre er nicht der erste. “Vereinzelte Beschwerden haben uns erreicht. Die Sorgen der Händler sind der Bundesnetzagentur bekannt”, erklärt die Behörde auf stern-Anfrage. Doch ihr seien die Hände gebunden. Warensendungen seien leine “lizenzpflichtigen Postdienstleistungen”, hieß es. Bedeutet im Klartext: Die Deutsche Post muss die Änderung der Bedingungen nicht von der Bundesnetzagentur genehmigen lassen. Nur bei “ausbeuterischen, missbräuchlich wettbewerbsbeeinträchtigenden oder diskriminierenden” Entgelten eines marktbeherrschenden Anbieters könne die Aufsicht eingreifen. “Aktuell gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür”, machte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur deutlich.

Der Rat der Behörde: “Betroffene sollten prüfen, ob ggf. Wettbewerber der Deutschen Post AG passende Alternativen anbieten.” Doch ein Blick auf die Preislisten der Unternehmen zeigt: So günstig wie bislang bei der Deutschen Post/DHL werden sie ihre Schallplatten dort nicht in alle Welt versenden können.

Keine guten Aussichten für Dirk Borrmann und seine Kollegen – und auch Post-Sprecher Edenhofer kann ihnen keine Hoffnung machen. Er kündigt an: “Wir werden an den neuen Bedingungen für die ‘Warenpost international’ nichts ändern.”

quelle

FrankfurtMagzin

Read Previous

Elektroauto-Experten schlagen Alarm: “Acht bis zehn Prozent der Ladesäulen funktionieren nicht richtig”

Read Next

CDU-Politikerin Kinnert soll in zwei Büchern abgeschrieben haben

Leave a Reply

Your email address will not be published.