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KI-Sperre und geheime Streaming-Zahlen: Wie das Ende des Autoren-Streiks Hollywood verändern wird

Nach mehr als einem halben Jahr haben sich die Filmindustrie und die amerikanische Autoren-Gilde auf einen neuen Vertrag einigen können. Der birgt nicht nur viel Grund zu Jubeln für die Autoren – sondern auch drastische Änderungen für Netflix und Co.

Es waren harte Zeiten für Film- und Fernseh-Fans – vor allem in den USA. Late-Night-Shows fielen monatelang aus, die nächste Staffel der Lieblingsserie wird noch lange auf sich warten lässt, Filmproduktionen werden geschoben. Diese Woche kam dann endlich die erlösende Nachricht: Die amerikanische Autoren-Gilde WGA hat sich mit der Filmindustrie geeinigt. Mit weitreichenden Folgen.

Historischer Kompromiss

Das Ende der Verhandlungen kann man nur als gigantischen Sieg der Autoren bewerten. Ob in Bezug auf die Bezahlung, die Forderungen zur Nutzung von KI oder die Beteiligung bei Streaming-Erfolgen – in nahezu jedem Punkt haben die Autoren die Studios zu weitreichenden Schritten bewegt. Vor allem die beiden letzten Punkte haben das Potenzial, die Branche noch langfristig zu prägen.

Dabei wäre in normalen Zeiten schon die grundsätzliche Einigung Grund zur Freude gewesen: Fünf Prozent mehr Basisgage gibt es für Autoren, in den nächsten beiden Jahren steigt sie jeweils weiter. Wer für Streamingdienste schreibt, bekommt eine noch höhere Steigerung: Die Mindestbezahlung steigt um 18 Prozent, die Grundvergütung noch einmal um 26 Prozent. Vor allem sollen aber endlich auch im Streaming Erfolgsboni verlangt werden können.

Angst vor KI

Vor allem wehrt der Abschluss aber vorläufig eine Gefahr ab, vor der die Branche zitterte –nämlich dass die Autoren durch KI ersetzt werden könnten. Dabei geht es aktuell noch weniger um die Frage, ob KI komplette Filme oder Serien schreiben kann. Denn dazu sind aktuelle Programme wie ChatGPT noch gar nicht in der Lage. Vielmehr sollen die Studios davon abgehalten werden, mithilfe von KI die Urheberschaft von Werken an sich zu reißen. Und so die Schreiber unter Druck zu setzen.

Das wäre etwa der Fall, wenn sich ein Studio per KI Ideen für neue Programme erstellen ließe. Die menschlichen Autoren würden dann nur noch als Zuarbeiter engagiert, die das Material dann konkret ausarbeiten, die Rechte bleiben vollständig beim Studio. Ein solches Vorgehen ist deshalb in dem Abschluss genauso explizit verboten wie das Umschreiben oder das vollständige Erstellen von Skripten durch KI-Unterstützung.

Die Autoren kommen den Studios dafür ebenfalls entgegen. Die WGA verpflichtete sich, dass ihre Mitglieder nur dann KI-Unterstützung für ein Projekt nutzen dürfen, wenn das Studio dem explizit zugestimmt hat. Jeder von KI bearbeitete oder erstellte Abschnitt muss kenntlich gemacht werden. Das soll die Branche von versehentlich erstellten Plagiaten durch die KI schützen und ein Ausnutzen der Technologie durch die Autoren verhindern.

Die Geheimnisse der Streaming-Dienste

Das wirklich bahnbrechende Detail des Vertrages ist aber eher unscheinbar. “KI ist der Hingucker. Der Gamechanger sind die Daten”, erklärte etwa Branchenkennerin Katharine Trendacosta gegenüber “The Verge”. Denn aus dem Erfolgsbonus der Streamingdienste ensteht in der Branche plötzlich eine deutlich höhere Transparenz: Netflix, Disney und Co. müssen erstmals ihre bestgehüteten Geheimnisse verraten.

Welche Serien und Filme auf den Streamingplattformen wie laufen, wissen bislang nur die Anbieter selbst. Veröffentlicht werden höchstens sehr ausgewählte Informationshappen, etwa wie viele Abonnenten eine neue Serie in der ersten Woche zu schauen angefangen hatten. Selbst die an den Projekten beteiligten Studios, Regisseure oder Schauspieler erfuhren nicht mehr. Mit dem WGA-Abschluss ändert sich das erstmals: Den Autoren wurde zugesichert, die konkrete Zahl an gestreamten Stunden einzelner Projekte genannt zu bekommen, getrennt nach US- und internationalen Abrufen.

Und obwohl diese Zahlen natürlich nur für die Gilde bestimmt und trotzdem geheim bleiben sollen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis einige dann doch durchsickern – und wenn es nur um ungefähre Werte geht. Zwar darf die WGA eigentlich Daten nur in gesammelter Form an ihre Mitglieder weitergeben und ist sonst zur Geheimhaltung verpflichtet. Trotzdem dürften sich auch aus diesen Daten – und den dann tatsächlich ausgezahlten Boni – eben doch Rückschlüsse ziehen lassen, welche Serien und Filme auf den Streamingdiensten wirklich erfolgreich waren. Auch die ebenfalls streikende Schauspieler-Innung SAG-AFTRA dürfte nun auf die Herausgabe der Daten pochen.

Was ist ein Erfolg?

Das könnte die Dynamik im Streaming-Markt erheblich verschieben. Während man im Kino oder beim klassischen Fernsehen sehr konkret bewerten kann, wie eine Stilrichtung, ein Regisseur oder ein Schauspieler beim Publikum ankommen, musste man sich beim Streaming auf die wenigen Daten verlassen, die von den Diensten herausgerückt wurden. Mit konkreten Zahlen ausgestattet, könnten viele Prestige-Projekte der Streaming-Anbieter plötzlich mit anderen Augen gesehen werden.

Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Streaming-Dienste und die Studios völlig unterschiedliche Ideen haben, was einen Erfolg ausmacht. Während TV-Sender auf die Quote und Kinostudios auf die Ticketverkäufe schauen, zählen für Netflix nur die Abrufzahlen. Für Anbieter wie Apple oder Amazon aber, die Streaming eher als Zusatzleistung betrachten, sind Prestige-Projekte, die Aufmerksamkeit bekommen, fast noch wichtiger. Schließlich ist das Streaming-Abo für sie eher ein Nebengeschäft.

Langwierige Folgen

Völlig unabhängig vom Ergebnis dürfte die reine Tatsache der Streiks noch eine Weile nachwirken. Unzählige Serien-Staffeln und Filme mussten pausiert oder geschoben werden, können nun erst langsam abgearbeitet werden – zusätzlich zu den neu entstehenden Projekten. Zwar versicherten viele Studios im Frühjahr, noch bis Ende des Jahres neues Material liefern zu können. Dann wird es aber für viele eng. Die Welle an Verspätungen wird vor allem diejenigen Dienste und TV-Sender betreffen, die nicht wie Netflix auch auf internationale Produktionen setzen.

Zahlreiche Studios werden deshalb verstärkt priorisieren müssen, erklärten Insider “Variety”. Nachdem die Zahl an freigegebenen Projekten in den letzten Jahren immer weiter stieg, könnte sich der Trend in Folge des Streiks wieder umkehren, argumentierte das Branchenblatt schon lange vor der Einigung.

Auch wenn sich die konkreten Auswirkungen der Einigung noch nicht vollständig vorhersehen lassen, dürfte klar sein: So wie bisher wird es in Hollywood künftig nicht weiterlaufen. Die KI-Revolution etwa ist in der Branche zwar aufgeschoben, in drei Jahren wird aber neu verhandelt. Auch die Dominanz der Streaming-Dienste wird durch die Transparenz nicht gebrochen werden. Und: Für Netflix dürfte es durch den neuen Abschluss eher noch attraktiver geworden sein, mehr auf internationale Produktionen zu setzen und sich noch weniger auf Hollywood zu verlassen.

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