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Kornkammer und Zulieferer: Die Wirtschaft der Ukraine

Eine Fläche von mehr als 600.000 Quadratkilometern und mehr als 40 Millionen Einwohner – die Ukraine ist einer der größten Staaten in Europa. Seit der Unabhängigkeit vor 30 Jahren prägen Krisen die Wirtschaft des Landes. Nach der Weltwirtschaftskrise drohte 2009 sogar ein Staatsbankrott, der nur durch Milliardenkredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) verhindert wurde.

Auch die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 und die Kriegshandlungen im Osten des Landes brachten starke ökonomische Verwerfungen (wieder half der IWF, forderte aber Reformen), die die Ukraine bis zum russischen Angriff am 24. Februar 2022 aber recht gut überwunden hatte.

Staatsverschuldung war stark rückläufig vor dem Krieg

Die Staatsverschuldung sank nach Expertenangaben von mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf knapp über 50 Prozent. 2020 erlebte das Land wegen der Corona-Pandemie zwar eine kurze Rezession, im vergangenen Jahr betrug das Wachstum aber wieder geschätzte 3,2 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt lag 2020 bei 3653 Dollar pro Einwohner ( zum Vergleich: Deutschland 45.733 Dollar, Russland 10.037). Wie es nach einem Ende des Krieges weitergehen könnte, weiß niemand.

Der wichtigste Industriezweig ist die Nahrungsmittelindustrie. Die Ukraine ist einer der größten Weizenexporteure der Welt. Sie wird auch als “Kornkammer Europas” bezeichnet wegen der riesigen Ausdehnung des Ackerlandes, das mehr als einem Viertel der entsprechenden Fläche in der gesamten EU entspricht.

Nahrungsmittel- und Metallindustrie liegen vorne

Auf Rang zwei folgt die Metallindustrie. Wegen der hohen Bedeutung der Branche sei die Ukraine stark anfällig für Schwankungen der Weltmarktpreise für Stahl, heißt es in einer Analyse der deutschen Außenwirtschaftsagentur Germany Trade & Invest (GTAI) vom vergangenen Herbst. Danach war auch der Investitionsbedarf des Sektors bereits vor dem Krieg groß.

Immer bedeutender entwickelt sich auch die Leicht- und Zulieferindustrie. Internationale Unternehmen, besonders aus der Autoindustrie, nutzen die günstigen Produktionskosten bedingt durch die niedrigen Löhne bei gleichzeitiger Nähe zur EU. Insgesamt sei die Einbindung der Ukraine in Lieferketten aber noch gering, schrieb GTAI-Experte Fabian Nemitz noch im September. Doch bereits kurz nach dem russischen Angriff mussten große Autohersteller ihre Produktion in anderen Ländern einschränken oder gar stoppen, weil wichtige Vorprodukte wie Kabelbäume fehlten, die von Zulieferern in der Ukraine gefertigt werden.

Bedeutung des Hafens von Odessa

Wichtig für Im- und Exporte ist der Hafen von Odessa. Der Odessa Marine Trade Port (OMTP), ist der größte ukrainische Seehafen und einer der größten Häfen am Schwarzen Meer. Er hat eine jährliche Kapazität von etwa 40 Millionen Tonnen Schüttgut und 25 Millionen Tonnen Flüssiggut. Der Hafenbetrieb wurde mit Kriegsbeginn stillgelegt.

Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) betreibt am OMTP einen Containerterminal, der in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut wurde. Das HHLA-Terminal in Odessa schlägt jährlich etwa 300.000 Standardcontainer (TEU) um. “Odessa ist der größte Hafen der Ukraine und der Hauptversorgungspunkt der Ukraine über das Meer, insbesondere seitdem die Krim und das Asowsche Meer nur noch schwer passierbar sind”, sagt Philip Sweens, Geschäftsführer der Auslandsgeschäfte der HHLA.

Hohe Geldüberweisungen von Arbeitsmigranten befeuern den Konsum

Der einheimische Privatkonsum gilt als wichtigste Säule des ukrainischen Wachstums. Dabei spielen steigende Löhne und hohe Geldüberweisungen von Arbeitsmigranten eine wichtige Rolle. All das kommt dem Einzelhandel zu Gute.

Auch der IT-Sektor boomt mit der zunehmenden Anzahl von Fachkräften und Universitätsabsolventen in den großen Städten. Der Transportsektor ist ebenso ein wichtiger Wirtschaftszweig.

EU ist größter Handelspartner der Ukraine

Vor dem Kriegsausbruch war die EU der größte Handelspartner mit einem Anteil von 40 Prozent am gesamten Außenhandelsvolumen der Ukraine. Brüssel sah aber ein großes Potenzial und erhoffte sich mittel- und langfristig einen Ausbau des Handels mit Kiew, schrieb das Nachrichtenportal Tagesschau.de noch Mitte Februar. “Von den 30 kritischen Rohstoffen wie Lithium oder Kobalt, die die EU identifiziert hat, besitzt die Ukraine alleine 21. Die Europäische Union würde gerne eine Rohstoff- und Batterieallianz mit der Ukraine aufbauen.” Zudem könnte die Ukraine zum Wasserstofflieferanten werden.

Die Ukraine hat also auch im Hinblick auf Zukunftstechnologien noch viele ungenutzte Möglichkeiten.

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