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Mein Europa: Die Republik Moldau im Visier Russlands

Die Zeit, in der wir uns in der Republik Moldau aufgrund des heldenhaften Widerstands der Ukraine gegen Putins Aggression, einschließlich des großen militärischen Erfolgs – der Versenkung des Flaggschiffs “Moskwa” der russischen Schwarzmeerflotte – relativ sicher fühlten, ist vorbei. Die Lage in der separatistischen Region Transnistrien lässt nichts Gutes ahnen.

Am Montag, 25. April 2022, dem zweiten orthodoxen Ostertag, wurde das Hauptquartier des Geheimdienstes (KGB) in Tiraspol, der Hauptstadt der abtrünnigen Region, mit Granatwerfern angegriffen. Es gab keine Verletzten, das Gebäude war zu dem Zeitpunkt verlassen. Am nächsten Tag, dem 26. April, erfolgten weitere militärische Zwischenfälle in Transnistrien: die Zerstörung von zwei Telekommunikationsantennen im Bezirk Grigoriopol sowie Explosionen in Parcani, einer Stadt 13 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt, und auf einem Flugplatz in Tiraspol. Weitere ähnliche Episoden sind nicht auszuschließen.

Russische Präsenz in Transnistrien

Ein “Worst Case” wäre beispielsweise ein Sabotageakt im Militärdepot Cobasna, das unter der Kontrolle illegal stationierter russischer Truppen steht. Dort werden ungefähr 20.000 Tonnen sowjetischer Munition gelagert, die Anfang der 1990er Jahre aus den ehemals kommunistischen Ländern Mittel- und Osteuropas abgezogen worden waren. Weder die Behörden in der moldauischen Hauptstadt Chisinau, noch ausländische Experten haben Zugang zu diesem Lager. Über den Zustand der Munition gibt es keine Informationen.

Wiederholte Aufforderungen aus Chisinau an Moskau, die Waffen aus Cobasna nach Russland zu verlegen, blieben ebenso unbeantwortet wie die Forderung, die rund 2000 russischen Soldaten aus Transnistrien abzuziehen. Die OSZE, in der Russland einen starken Einfluss hat, erwies sich als völlig wirkungslos, da sie eher russische Interessen als die legitime Forderung der Moldau unterstützt, diese Quelle der Unsicherheit, die wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen hängt, zu beseitigen.

Fake-News und Eskalation

Der erste konkrete Hinweis darauf, dass Russland die Republik Moldau seit Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine “im Visier” hat, waren die Äußerungen des russischen Generals Rustam Minnekajew, Vizekommandeur des Zentralen Militärbezirks. Er sprach offen von einer bevorstehenden “zweiten Phase der Spezialoperation”, bestehend aus der Übernahme der Kontrolle über die ukrainische Südwestküste am Schwarzen Meer sowie der Schaffung eines Landkorridors nach Transnistrien, wo “Fälle der Verletzung der Rechte ethnischer Russen vorliegen”. Eine dreiste Lüge. Die Region wird vollständig von Moskau kontrolliert – wer sollte die Rechte der russischsprachigen Bevölkerung verletzen? Eingeschüchtert und terrorisiert werden nicht russischsprachige, sondern rumänischsprachige Bewohner und deren Institutionen, darunter Schulen, die dem Bildungsministerium in Chisinau unterstellt sind. Drangsaliert werden moldauische Bauern, die seit etwa 30 Jahren dem Terror der separatistischen Milizen ausgesetzt sind. Aber wann war den Russen die Wahrheit wichtig?

Wiktor Wodolatsky, erster stellvertretender Vorsitzender des Staatsduma-Ausschusses für GUS-Angelegenheiten, eurasische Integration und Beziehungen zu Landsleuten, legte noch eins drauf: Der “Nazismus” der Machthaber in Chisinau, der von “ihren rumänischen Beschützern” unterstützt würde, müsse analog zu dem in der Ukraine angewandten Szenario “ausgerottet” werden.

Symbole des Hasses und des Krieges

Vergangene Woche hatten die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharova, und der russische Abgeordnete Alexej Puschkow die moldauische Präsidentin Maia Sandu dafür kritisiert, dass sie es gewagt hatte, russische Symbole des Hasses und des Krieges zu verbieten: das sogenannte Sankt-Georgs-Band sowie die Buchstaben “Z” und “V”. Dieses Gesetz wurde von der pro-europäischen parlamentarischen Mehrheit in der Republik Moldau angenommen.

Die pro-russische Opposition – der Block der Kommunisten und Sozialisten, angeführt von den ehemaligen Staatspräsidenten Wladimir Woronin und Igor Dodon, sowie die Partei des flüchtigen Ilan Shor (“Architekt” des Bankbetrugs von 2014, bei dem umgerechnet eine Milliarde Euro verschwand) – protestierte dagegen und drohte damit, bei der Parade am 9. Mai, am “Tag des Sieges”, mit Putins Insignien auf der Brust zu erscheinen, trotz der saftigen Geldstrafe von fast 500 Euro. Diebe, Banditen, Kriminelle in der Republik Moldau, ob mit oder ohne “weiße Kragen”, waren schon immer Russlands Einflussagenten im ehemaligen sowjetischen Raum.

Szenario wie im Osten der Ukraine

Das Büro für die Reintegrationspolitik – die Struktur der moldauischen Regierung für Transnistrien – ließ erklären, dass der Granatenbeschuss vom Montag auf das Gebäude des KGB in Tiraspol nur ein Vorwand sei, um die Sicherheitslage in der Region zu verschärfen. Nach den kriegerischen Tönen russischer Politiker über einen “Korridor” nach Transnistrien wurde der russische Botschafter in Chisinau, Oleg Wasnetsow, in das moldauische Außenministerium einbestellt. Kurz darauf übermittelte der stellvertretende russische Außenminister Andrej Rudenko eine beruhigende Botschaft: “Russland sieht keine Gefahr für seine transnistrischen Bürger und setzt sich weiterhin für eine friedliche Lösung der Transnistrien-Frage ein, unter Achtung der Souveränität und Integrität der Republik Moldau.”

Wir werden Zeugen eines Katz-und-Maus-Spiels, einer Sondierung der Reaktionsfähigkeit der Behörden in Chisinau im Hinblick auf ein mögliches russisches Vorgehen in der Region.

Die Republik Moldau ist laut Verfassung neutral und hat im aktuellen Konflikt alle Staaten, darunter auch die Russische Föderation, aufgefordert, diesen Status zu respektieren. Doch Russland wird keineswegs wegen der Neutralität der Moldau ins Stolpern geraten und könnte jederzeit die Unabhängigkeit der separatistischen Region am linken Ufer des Dnjestr anerkennen. Was dann folgen könnte, wäre ein militärisches Eingreifen, um “seine Bürger zu schützen” – nach dem gleichen Szenario wie in den selbsternannten Republiken Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine, am 24. Februar 2022, oder im August 2008 in Georgien, nachdem Moskau die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt hatte. Nur eine massive diplomatische Intervention der westlichen Staaten hatte die russischen Panzer wenige Kilometer vor der georgischen Hauptstadt Tiflis damals aufhalten können.

Die Neutralität hinderte die pro-europäische Regierung in Chisinau nicht daran, Russlands Aggression gegen die Ukraine scharf zu verurteilen und Kiew so weit wie möglich zu unterstützen. Jetzt sollten dringend Lösungen gefunden werden, damit die Republik Moldau nicht doch in den Strudel des Krieges hineingezogen wird.

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