Nordkorea hat seine bisher beispiellose Folge von Tests mit potenziell atomwaffenfähigen Raketen in diesem Jahr fortgesetzt. Südkoreas Militär erfasste eigenen Angaben zufolge innerhalb einer Stunde den Start von zwei sogenannten ballistischen Mittelstreckenraketen mittlerer Reichweite (MRBM). Die Geschosse seien aus dem Gebiet Tongchang-ri in der Provinz Nord-Pyongan abgeschossen worden und im Japanischen Meer niedergegangen, teilte der Generalstab in Seoul mit. Nach Angaben des japanischen Verteidigungsministeriums flog eine der Raketen rund 500 Kilometer weit und erreichte eine Höhe von etwa 550 Kilometern.
Nun Feststoffantriebe im Test
Der japanische Vize-Verteidigungsminister Toshiro Ino nannte den Abschuss “absolut inakzeptabel”. Er bedrohe “den Frieden und die Sicherheit unseres Landes, dieser Region und der internationalen Gemeinschaft”, betonte Ino in Tokio. UN-Resolutionen untersagen Nordkorea die Erprobung ballistischer Raketen. Diese können je nach Bauart mit einem Atomsprengkopf bestückt werden.
Erst vor wenigen Tagen hatte Pjöngjang laut nordkoreanischen Staatsmedien einen Feststoffraketenantrieb “mit hoher Schubkraft” getestet. Der Test sei ein wichtiger Schritt bei der “Entwicklung eines weiteren strategischen Waffensystems neuen Typs”, hieß es. Alle bisher bekannten nordkoreanischen Interkontinentalraketen verfügen über ein Flüssigkeitsraketentriebwerk. Machthaber Kim Jong Un hat die Entwicklung von Feststoffantrieben inzwischen zu einer Priorität erklärt.
Das international abgeschottete kommunistische Land baut seit Jahren sein Waffenprogramm aus und unterliegt deshalb internationalen Sanktionen. In einem der bisher schlagkräftigsten Raketentests hatte Nordkorea im November eine Interkontinentalrakete (ICBM) abgefeuert, die nach japanischen Angaben westlich der Insel Hokkaido im Meer niederging. Diese Rakete verfügt offenbar über eine Reichweite, um das Festland der USA treffen zu können. Experten sprechen daher auch von einer “Monsterrakete”. Als Reaktion darauf verhängten die Vereinigten Staaten zusammen mit Südkorea und Japan Anfang Dezember neue Sanktionen gegen Pjöngjang. Diese Strafmaßnahmen richten sich unter anderem gegen Verantwortliche des Waffenentwicklungsprogramms.
Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel haben in diesem Jahr stark zugenommen. Das Regime in Pjöngjang testete mehr als 60 Raketen – und damit so viele wie in keinem Jahr zuvor. Südkorea und die USA warnen seit Monaten, dass Nordkorea in naher Zukunft eine Atomwaffe testen könnte. Tatsächlich hat Kim angekündigt, er wolle sein Land zur stärksten Atommacht der Welt aufbauen. Das schürt Befürchtungen, dass erstmals seit 2017 wieder ein Atomtest bevorstehen könnte.
Verschärfte Reaktionen von Südkorea, Japan und den USA
Nordkorea verschärfte zugleich auch seine Rhetorik gegen die Regierungen in Seoul und Washington. Südkorea und die USA nahmen ihrerseits die gemeinsamen Militärübungen in diesem Jahr wieder in vollem Umfang auf. Und Japan kündigte erst am Freitag eine massive militärische Aufrüstung an, um auf die Bedrohung durch Nordkorea wie auch auf das Machtstreben Chinas reagieren zu können. Damit will sich der US-Verbündete in Abkehr von der bislang ausschließlich auf Verteidigung ausgerichteten Sicherheitsdoktrin künftig in die Lage versetzen, feindliche Raketenstellungen auszuschalten.