Der steile Anstieg der Strompreise rückt die Energieerzeugung und den Großhandel in das Blickfeld der Wettbewerbsbehörden. Nach Einschätzung der Monopolkommission wächst die Gefahr, dass große Anbieter ihre Marktmacht missbrauchen könnten, um Preise zusätzlich in die Höhe zu treiben. Im Fokus steht dabei vor allem der Energieriese RWE. In der vorigen Woche hatte das Bundeskartellamt bereits gewarnt, dass der Essener Versorger eine „marktbeherrschende Stellung“ erlangt habe.
Im Untersuchungszeitraum von Oktober 2020 bis Ende September 2021 entfiel rund ein Viertel der Stromproduktion auf RWE. Entscheidend für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung ist aber, dass die RWE-Kraftwerke in vielen Stunden unverzichtbar waren, um die Stromnachfrage zu sichern. Durch den Kohle- und Atomausstieg werde sich die Marktposition des Essener Energieunternehmens tendenziell weiter verstärken, warnt das Kartellamt. Einen Anfangsverdacht für einen Missbrauch, etwa durch das Zurückhalten von Kraftwerksleistung, sieht die Behörde nicht. RWE unterliege nun aber einer verschärften Verhaltenskontrolle bei der Steuerung seiner Kraftwerke.
Prüfung nötig
Das reicht der Monopolkommission, die die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen berät, nicht aus. Sie empfiehlt, den Markt und das Verhalten von RWE noch intensiver unter die Lupe zu nehmen. „Die Gefahr für Marktmachtmissbrauch im Stromgroßhandel nimmt zu“, heißt es in einer Kurzanalyse. Der Kommissionsvorsitzende Jürgen Kühling hält deshalb eine genauere Prüfung für sinnvoll, „ob Indikatoren dafür vorliegen, kartellbehördliche Untersuchungen einzuleiten“.
Dazu soll das Kartellamt zunächst die Situation im Winter 2021/22 unter die Lupe nehmen. Darüber hinaus fordert die Monopolkommission, dass die Versorger zeitnah zusätzliche Daten über die Einsatzplanung ihrer Kraftwerke und die Stromeinspeisung bereitstellen. Dafür soll das Wirtschaftsministerium einen gesetzlichen Regelungsvorschlag prüfen.
RWE zieht hingegen schon die Marktmachtuntersuchung des Kartellamtes in Zweifel. Der Konzern habe keine neuen konventionellen Kapazitäten errichtet, sondern werde diese allein von 2020 bis 2022 um rund 7000 Gigawatt verringern, sagte ein Sprecher. Zudem verweist das Unternehmen auf Sondereffekte wie den witterungsbedingten Rückgang der erneuerbaren Stromerzeugung bei gleichzeitig gestiegener Stromnachfrage.
Kleinere Anbieter gegen die Konzerne
Außerdem wirft es dem Kartellamt methodische Mängel vor, weil es den Wettbewerbsdruck durch Stromimporte nicht angemessen berücksichtige. Scharfe Kritik kam vom Ökostromanbieter Naturstrom. Das Unternehmen klagt zusammen mit zehn kommunalen Energieversorgern gegen den 2018 verabredeten Deal zwischen RWE und Eon, bei dem die beiden Konzerne die Aktivitäten von Innogy untereinander aufgeteilt hatten. „Die marktbeherrschende Stellung von RWE wird zum Nachteil für die Verbraucher“, sagte der Naturstrom-Vorstandsvorsitzende Thomas Banning.
Der Stromvertrieb an die privaten Endkunden, der nach den Pleiten einiger Discounter im Augenblick die politische Diskussion beherrscht, spielt nach Einschätzung der Monopolkommission für die aktuelle Preisexplosion nur eine Nebenrolle. Marktmissbrauch sei dort nicht zu erkennen, die Gewinnspannen der örtlichen Versorger seien im Dezember 2021 sogar gesunken. Es gebe einen lebhaften Wettbewerb um die Verbraucher, im Schnitt könnten diese in ihrem Netzgebiet zwischen 162 Strom- und 133 Gaslieferanten wählen. Die Politik nehme ausgerechnet jene Marktstufe in den Blick, „die den kleinsten Anteil am Endkundenpreis verantwortet“.
Für den falschen Weg hält die Monopolkommission die in der Politik diskutierten Schritte für einen besseren Verbraucherschutz. Im Gespräch ist unter anderem eine Versicherungspflicht für Energielieferanten. Bei einer Kündigung oder einer Insolvenz soll diese Versicherung die Mehrkosten übernehmen, die durch den Rückfall in die Grundversorgung entstehen. Alternativ gibt es Überlegungen, Versorgern den Abschluss langfristiger Verträge für den Bezug ihres Energie vorzuschreiben.
Die Monopolkommission hält solche direkten Eingriffe in die Geschäftsmodelle für falsch, weil sie „branchenweit weitere Preissteigerungen“ verursachen würden. Statt dessen empfiehlt sie, die Informationspflichten der Versorger zu erweitern. Ein Beispiel sind Verträge, die Vorauszahlungen verlangen: In diesem Fall könnten „Warnhinweise“ prominent in die Produktbeschreibung aufgenommen werden. Auch vertraglich vereinbarte, besonders kurze Kündigungsfristen müssten extra herausgestellt werden.