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Wie klimaschädlich ist Reisen?

Jeder Sommer bringt neue Extremwetter-Ereignisse, jeder neue Klimabericht enthält neue und alte Warnungen und ruft zu schnellem Handeln auf. Gefühlt rasen wir auf einen Abgrund zu und können es trotzdem nicht lassen, das Reisen. Dabei hat jede Reise eine direkte Umweltwirkung. 

Acht bis elf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen entstehen laut World Travel & Tourism Council durch den Tourismus. Der Großteil entfällt auf An- und Abreise. Je länger die Strecke desto mehr CO2 wird ausgestoßen. Die Wahl des Verkehrsmittels macht jedoch oft den Unterschied. Wobei Pauschalaussagen wie “bei einer Bahnfahrt entstehen geringere Umweltwirkungen als bei einer Fahrt mit dem PKW” nicht immer stimmen, schreibt das Umwelt-Bundesamt in einer vergleichenden Studie. 

Die Menschheit hat in diesem Jahr laut dem Global Carbon Budget Report 36,6 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen. 1950 lag der weltweite CO2-Ausstoß bei nur sechs, 1990 hingegen bereits bei 22 Milliarden Tonnen.

Mobilität und Kohlendioxid

Ob Bus, Bahn, Flugzeug, Schiff oder der PKW, jedes Verkehrsmittel muss angetrieben werden, und dafür wird Energie verbraucht. Diese stammt oft (noch) aus fossilen Quellen wie Öl oder Gas. Beim Verbrennen von Treibstoff wird im Falle des herkömmlichen PKWs oder des mit Kerosin betankten Flugzeugs klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt, das in die Atmosphäre gelangt und diese aufheizt. Der Transportsektor ist einer der großen Mitverursacher für den menschengemachten Klimawandel. 

Reisen wir bewusster und klimafreundlicher?

Reisen wir dank dieses Wissens nachhaltiger? Nicht wirklich, sagt Bente Grimm, Leiterin Touristische Mobilitätsforschung am Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT). Oft prallen der Wunsch die Welt zu sehen und das Bestreben sich klimafreundlich zu verhalten aufeinander, und am Ende überwiegt dann oft die Reiselust, so Grimm. 

Im Jahr 2021 wurden laut Reiseanalyse 2022 der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen in Deutschland 55,1 Millionen Reisen unternommen sowie 44,8 Millionen Kurzreisen. Für längere Trips wählten 34 Prozent das Flugzeug, für den Kurzurlaub fünf Prozent. In den Urlaub geht es für die meisten Deutschen nach wie vor mit dem Auto. Der kleine Rest verteilt sich auf Bus und Bahn.

Wenn man sich mal so umhört – wie klimabewusst reist eigentlich der Freundes- und Bekanntenkreis? Alle wissen: Fliegen hat die höchsten CO2-Emissionen. So umweltbewusst reise sie nicht, sagt zum Beispiel Severine Lenglet aus Frankreich, die oft die Strecke Berlin – Paris mit dem Flugzeug zurücklegt. Aber sie freue sich auf 2023, denn Ende des Jahres soll es eine neue Bahnverbindung zwischen den Hauptstädten geben, “dann geht es endlich mit dem Zug”. Und wie ist es bei Familien mit Kindern? “In den Urlaub fahren wir meistens mit einem Leihwagen”, erzählt Anne Kolerus aus Berlin. Grund sei zum einen das viele Gepäck, zum anderen die oft fehlende Infrastruktur am Zielort. Mit dem Flieger in den Sommerurlaub? Für Familienvater Julian Schrögel aus Frankfurt keine Option. Wenn überhaupt, dann für eine Fernreise, die müsse aber gleich vier bis sechs Wochen dauern.

Warum wird der Wunsch nach klimafreundlichen Reisen nicht umgesetzt? Den Grund sieht Swantje Lehners, Vorstandsvorsitzende von KlimaLink, vor allem darin, dass nachhaltige Optionen nicht erkennbar und vergleichbar sind. Das will der Verein ändern und hat sich zum Ziel gesetzt, einen einheitlichen Standard zur Berechnung des CO2-Ausstoßes zu entwickeln. Das Tool dafür wird bis Anfang 2024 zur Verfügung stehen.

Welche Klimawirkungen also hat Reisen im Detail? Und wie lassen sie sich reduzieren, ohne die Reise komplett zu streichen? Nehmen wir ein Beispiel: einen Städtetrip von Berlin nach London. 

Klimabilanz des Städtetrips

2200 Kilometer müssen für Hin – und Rückreise zurückgelegt werden. Im Hinterkopf: Klimabilanz, Zeit, Budget. Zur Auswahl stehen das eigene Auto, die Fahrrad-Schiff Kombination, das Flugzeug, die Bahn und der Bus. Es reisen zwei Personen im April 2023.

Die Berechnung der Emissionen für das jeweilige Verkehrsmittel ist bei genauer Betrachtung kompliziert. Oft werden unterschiedliche Faktoren einbezogen. Das erschwert die Vergleichbarkeit. Während MyClimate für Auto und Flug die Infrastruktur und Herstellung mit einbezieht, werden diese beim Quarks-Rechner außen vor gelassen. Berücksichtigung bei allen Rechnern finden die Nicht-CO2-Emissionen des Flugverkehrs. Denn auf einem Flug wird nicht nur CO2 ausgestoßen. Weitere Schadstoffe fallen an, die die Klimawirkung einer Flugreise deutlich schlechter dastehen lassen. Dazu zählen Stickoxide, Wasserdampf und kleine Partikel wie Ruß. Rußpartikel fördern die Bildung von Kondensstreifen und können auf großen Höhen dafür sorgen, dass sich Cirruswolken bilden. Was schön aussieht, hat Auswirkung auf die Erderwärmung.

Bei einer Zugreise wiederum muss geschaut werden, ob der Zug mit Diesel oder elektronisch fährt, dann ist der Energiemix wichtig. Fürs Auto gilt, je mehr Menschen, desto verteilter der CO2-Ausstoß. Zieht man die Infrastruktur in Betracht fallen beim Schienenverkehr höhere Emissionswerte an als beim Flugzeug. Auf der reinen Strecke wird beim Fliegen aber so viel CO2 ausgestoßen, dass dies ausgeglichen wird. 

Fliegen oder nicht?

Für den Städtetrip, der von Donnerstag bis Montag geplant ist, schmeicheln die 3,15 Stunden Anreisezeit mit dem Flugzeug durchaus. Bente Grimm erklärt im Interview: “Beim Fliegen sind die Fernreisen schädlicher, da mehr CO2 ausgestoßen wird. Kurztrips werden aber oft von denjenigen unternommen, die bereits eine Fernreise hinter sich haben. Sinnvoller ist es, den Gesamtausstoß einer Person pro Jahr zu betrachten.” Wer sich nachhaltig verhalten will, der müsse seine Flugreisen radikal reduzieren, fügt Grimm hinzu.  

Die Fahrrad-Schiff Option sowie die Anreise mit dem Bus fallen aufgrund der langen Anreise flach. Dabei wäre es sogar möglich, gänzlich CO2-neutral über den Kanal zu kommen, wenn der Wind gut steht.Ab Frühjahr 2023 kann die Strecke mit dem Segelboot überquert werden.  

Bleiben PKW und Bahn. Felix Creutzig, Professor für Infrastruktur und Klimawandel an der Technischen Universität Berlin, adressiert dem Auto eine hohe Ineffizienz aufgrund der geringen Auslastung und der zu bewegenden Masse. “London kann man mit dem Zug erreichen und sollte es deswegen auch machen”, so Creutzig. 

Klimaverträgliches Reisen – jetzt und in der Zukunft

Einmal die schiere Größe Londons sehen, durch Hackney oder Soho streifen, ikonische Architektur bestaunen und im typischen Pub Bier trinken –  auf jeden Fall hat das einen großen Reiz. Zudem generiert die Reise Einnahmen für all diejenigen, die vom Tourismus leben – auch das ist wichtig. Aber da der Verkehr für einen Großteil der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist, könnten wir unsere Verkehrsmittelwahl überdenken und statt mehrmals in Urlaub fahren länger an einem Ort bleiben. Wichtig sei zudem, sagt Bente Grimm, den Weg als Erlebnis und Reise zu begreifen sowie die Exotik in nahgelegenen Urlaubszielen zu erkennen. 

Aber Reisen klimafreundlich zu gestalten, hängt nicht nur von uns ab. “Es ist wichtig, über Verkehrsinfrastruktur zu reden und nicht nur den Einzelnen zur Verantwortung zu ziehen. Für klimafreundliches Reisen muss es klimaneutrale, zuverlässige Angebote geben”, so Felix Creutzig. Da sieht er Staat und Städte in der Verantwortung.

Einen weiteren Schalthebel sehen Wissenschaftler darin, bei Flugreisen die tatsächlichen Umweltkosten abzubilden, dann würden wahrscheinlich automatisch weniger Menschen fliegen. 

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