Der Staat nimmt, der Staat gibt – so funktioniert unser Sozialstaat. Auf der einen Seite zahlen wir Einkommens- und Mehrwertsteuern, Renten- und Krankenkassenbeiträge. Auf der anderen Seite gibt der Staat einen großen Teil seiner Einnahmen – rund 1,6 Billionen Euro betrugen diese im Jahr 2020 – wieder für Sozialleistungen aus.
Welche Seite der Gleichung für den Einzelnen gerade überwiegt, hängt maßgeblich vom Alter ab. Das zeigt eindrucksvoll ein interaktiver Rechner des Wirtschaftsforschers Martin Beznoska vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Für Menschen im Alter von 0 bis 85 Jahren stellt das Tool auf Grundlage statistischer Daten dar, was sie im Schnitt an Steuern und Abgaben zu zahlen haben und auf der anderen Seite an staatlichen Leistungen erhalten.
Junge und Alte sind Nettoempfänger
Berücksichtigt sind in der Rechnung auch Sachleistungen wie Bildung oder Gesundheit, was einen interessanten Lebenslauf im Sozialstaat ergibt. Zu den Nettoempfängern zählen wenig überraschend Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, da sie staatlich finanzierte Kitas, Schulen und Hochschulen besuchen. So profitiert ein 15-Jähriger statistisch gesehen von staatlichen Leistungen im Wert von 11.600 Euro im Jahr.
Mit dem Eintritt ins Berufsleben dreht sich das Bild dann, was jeder mit Blick auf seinen Lohnzettel gut nachvollziehen kann. Ab dem Alter von 24 Jahren sind die Deutschen im Schnitt Nettozahler. Die Rechnung wird nun dominiert von Einkommensteuern und Abgaben zur Sozialversicherung sowie weiteren Konsumsteuern. Zwar profitiert man auch in der Erwerbsphase des Lebens von staatlichen Zahlungen wie Kindergeld sowie Gesundheitsleistungen der Krankenkasse – dennoch zahlen die meisten in dieser Zeit mehr in den Sozialstaat ein als sie an Leistungen herausbekommen.
Mit Mitte 50 zahlt man am meisten
Die Summe der Abgaben, die der Einzelne pro Jahr an den Staat leistet, steigt bis Mitte 50 an. Im Alter von 54 zahlt der Durchschnittsdeutsche mit 20.500 Euro im Jahr die meisten Steuern und Sozialabgaben im Jahr, während er nur rund 6000 Euro an staatlichen Leistungen rausbekommt.
Im Rentenalter verschieben sich die Gewichte dann wieder – und zwar dramatisch. Ab Mitte 60 sind die Deutschen im Schnitt Nettoempfänger, was natürlich vor allem an Renten und Pensionen, aber auch an steigenden Gesundheitskosten liegt. Ab dem 85. Lebensjahr summieren sich die jährlichen Leistungen auf 30.500 Euro – wogegen Steuern und Abgaben nur noch bei 6600 Euro liegen. “Für den Fiskus wird das zu einem rechnerischen Problem”, sagt IW-Ökonom Beznoska zu den Zahlen. “Wegen des demografischen Wandels wird es immer dringender, die Sozialsicherungssysteme zu reformieren.”
Bei den genannten Werten handelt es sich um Durchschnittswerte für die Gesamtbevölkerung. Das IW-Tool erlaubt es aber auch, die Rechnung an die eigene Situation anzupassen. So lassen sich auch die Werte für Männer und Frauen einzeln anzeigen oder nach West und Ost oder reich und arm unterscheiden. Zudem kann man individuell nicht zutreffende Posten wie Kindergeld oder Arbeitslosengeld an- oder abwählen, um das Ergebnis weiter zu individualisieren.
Der Berechnung liegen unter anderem die umfangreichen Haushaltsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) zugrunde.