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581 Banken erheben jetzt Negativzinsen – trotz erster Gerichtsurteile

Die Zahl der Banken, die von ihren Kunden Negativzinsen verlangen, hat einen neuen Rekord erreicht. 561 Banken und Sparkassen kassieren derzeit von Privatkunden Negativzinsen, hat das Finanzportal Biallo ermittelt. Bei Firmenkunden verlangen dies sogar 581 Geldinstitute. Seit dem Jahresbeginn sind demnach nochmal rund ein Dutzend Institute in der Liste dazu gekommen.

Dennoch scheine die Negativzins-Welle derzeit etwas abzuebben, hält Biallo fest. Denn vor einem Jahr hätten im gleichen Zeitraum gut 30 Geldhäuser das sogenannte Verwahrentgelt neu eingeführt. Insgesamt hatten rund 300 Banken und Sparkassen 2021 erstmals Negativzinsen verlangt. Biallo untersucht regelmäßig die Konditionen von rund 1300 Geldhäusern. 

Erste Gerichtsurteile

Dass nicht noch mehr Banken auf den Negativzins-Zug aufgesprungen sind, könnte damit zusammenhängen, dass derzeit völlig unklar ist, ob diese überhaupt zulässig sind. Verbraucherschützer haben eine Reihe von Klagen angestrengt, um die in Mode gekommene Praxis der Banken zu verbieten. Und in zwei Fällen haben sie auch schon Recht bekommen.

Die Landgerichte in Berlin (Az. 16 O43/21) und Düsseldorf (Az. 12 O 34/21) entschieden nach Klagen des Verbraucherzentrale Bundesverbands, dass Negativzinsen auf Bankguthaben nicht zulässig sind, da es sich beim Aufbewahren des Geldes um keine Extra-Leistung handelt. Das Landgericht Leipzig dagegen hält die Einführung von Verwahrentgelten für rechtens (Az. 5 O 640/20). Die ganze Praxis hängt also derzeit juristisch in der Schwebe, vermutlich bis zu einer höchstrichterlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof. 

Freibeträge sinken weiter

Wie sehr die Negativzinsen mittlerweile im gesamten Bankensektor verbreitet sind, zeigt die Biallo-Auswertung nach verschiedenen Bankengruppen. Von den 367 regionalen Sparkassen kassiert mittlerweile fast jede zweite Verwahrentgelte. Bei den Privatbanken haben fast zwei Drittel Negativzinsen eingeführt und bei den Direktbanken ohne eigenes Filialnetz sogar drei Viertel. Am zurückhaltendsten sind bislang die Genossenschaftsbanken (Volks- und Raiffeisenbanken, PSD- und Sparda-Banken), doch auch hier greifen schon rund 40 Prozent zu.

Auch die Sparsumme, ab denen der Negativzins zuschlägt, sinkt laut der Auswertung immer weiter. Galten früher häufig Freibeträge von 100.000 Euro, liegt die Grenze heute bei vielen Banken bei 50.000 Euro oder 25.000 Euro. Manche verlangen sogar schon ab dem ersten Euro Negativzinsen. 

Stellvertretend für diese Entwicklung steht die zweitgrößte deutsche Direktbank DKB: Sie senkte am 10. November den Freibetrag für Neukunden auf Tagesgeld- und Girokonten von 50.000 auf 25.000 Euro. Vor einem Jahr waren es noch 100.000 Euro je Konto gewesen. Bei manchen Banken gelten die Negativzinsen nur für Neukunden, doch auch Bestandskunden werden immer häufiger damit behelligt: Wer nicht zustimmen will, dem droht die Kündigung.

Kommt die Zinswende?

Für Verbraucher gibt es allerdings auch Hoffnung: Denn zu Hilfe kommen könnte den Sparern neben den Gerichten auch die Europäische Zentralbank. Diese hatte zuletzt durchblicken lassen, dass sie eine Abkehr von ihrer strikten Null- und Minuszinspolitik für 2022 zumindest in Erwägung zieht. Und wenn die Leitzinsen tatsächlich wieder steigen, dürften auch viele Banken ihre Minuszinsen für Bankkunden wieder streichen.

quelle

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