Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Mittwoch damit begonnen, den historischen Fall einer salvadorianischen Frau zu verhandeln, der 2013 ein Schwangerschaftsabbruch verweigert wurde, obwohl Ärzte dringend geraten hatten, ihre Risikoschwangerschaft vorzeitig zu beenden. Die als Beatriz bekannte Frau, eine Hausangestellte aus bescheidenen Verhältnissen, litt an der Autoimmunerkrankung Lupus und anderen Krankheiten.
Im Februar 2013 stellten die Ärzte ihre Schwangerschaft fest und entdeckten bei einem Ultraschall beim Fötus eine Fehlbildung des Gehirns (Anenzphalie). Sie wiesen darauf hin, dass der Fötus die Risikoschwangerschaft nicht überleben werde und eine Fortsetzung der Schwangerschaft ein großes Risiko für Beatriz sei. Ein Schwangerschaftsabbruch wurde jedoch nicht vorgenommen, denn in El Salvador ist der Eingriff unter allen Umständen verboten, selbst wenn das Leben der schwangeren Frau gefährdet ist oder der Fötus schwerwiegende Komplikationen hat.
Zahlreiche Frauen wurden in den vergangenen Jahren deswegen zu Gefängnisstrafen verurteilt.Beatriz beschloss, mit ihrem Fall an die Justiz zu gehen und legte Berufung beim Obersten Gerichtshof und der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) ein. Das salvadorianische Gericht lehnte ihren Antrag jedoch ab. Im Juni 2013 unterzog sich die junge Salvadorianerin einem Kaiserschnitt. Stunden später starb ihre Tochter.
2017 starb Beatriz an den Folgen eines Motorradunfalls auf dem Weg zu einem Arzttermin. Ihr Fall wurde jedoch weitergezogen und wurde zu einem Symbol für den Kampf gegen das generelle Abtreibungsverbot in El Salvador und anderen Ländern Lateinamerikas, wo der Schwangerschaftsabbruch ebenfalls unter keinen Umständen oder nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt ist.
Tausende Frauen sterben bei Schwangerschaftsabbrüchen unter prekären Bedingungen
Jedes Jahr sterben in der Region Tausende Frauen an den Folgen von heimlich und meist unter prekären Bedingungen durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen.Die öffentliche Anhörung am Sitz des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der costa-ricanischen Hauptstadt San José wurde von Protesten von Abtreibungsgegnern und -befürwortern begleitet. Die Mutter von Beatriz, die an der Anhörung in San José teilnahm, sagte, dass sie darauf hoffe, dass das Bild ihrer Tochter wiederhergestellt werde und keiner anderen Frau passiere, was Beatriz widerfahren sei.
Tatsächlich könnte das in diesem Jahr erwartete Urteil des Gerichts einen Präzedenzfall schaffen und weitreichende Auswirkungen auf die Handhabung von Schwangerschaftsabbrüchen in der Region haben. Der Fall sei der erste, in dem der Oberste Gerichtshof über die Norm des absoluten Verbots eines freiwilligen Schwangerschaftsabbruches entscheiden könnte, sagte Julissa Mantilla, Kommissarin der IACHR.
Der Fall Beatriz macht auf die Folgen aufmerksam
Die Organisation Human Rights Watch hielt in einer Mitteilung fest, dass der Fall von Beatriz die schlimmen Folgen eines Gesetzes, das Abtreibungen vollständig verbietet, aufzeige und eine Gelegenheit für einen Schritt nach vorne beim Schutz der reproduktiven Rechte in der Region darstelle.Der Fall von Beatriz wurde vor gut einem Jahr von der IACHR an den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte weitergeleitet. Die Begründung war, dass El Salvador Beatriz’ Rechte auf Leben und Gesundheit, auf Schutz vor unmenschlicher Behandlung und auf Privatsphäre und Gleichberechtigung verletzt, was gegen die Amerikanische Menschenrechtskonvention verstoße. Die Menschenrechtskommission stellte zudem fest, dass die absolute Kriminalisierung der Abtreibung Frauen gefährlichen und sogar tödlichen Praktiken aussetze, wobei Frauen aus armen Verhältnissen unverhältnismäßig stark betroffen seien.
Trotz der Empfehlungen der Interamerikanischen Kommission ist der Schwangerschaftsabbruch in El Salvador weiterhin unter allen Umständen verboten. In den vergangenen Jahren wurden etliche Frauen deswegen wegen Totschlags angeklagt und mit Gefängnisstrafen von bis zu 40 Jahren verurteilt. In einigen Fällen wurde eine Fehl- oder Totgeburt als Beweismittel herbeigezogen.
Trotz der Empfehlungen der Menschenrechtsorgane der Vereinten Nationen, Abtreibungen in allen Fällen zu entkriminalisieren und zumindest unter bestimmten Umständen den Zugang zu sicheren, legalen Abtreibungen zu gewährleisten, sind die Gesetze in den meisten lateinamerikanischen Ländern weiterhin sehr strikt. Lediglich in Uruguay, Argentinien und Kolumbien sowie in einigen mexikanischen Bundesstaaten ist der Schwangerschaftsabbruch legal. Inzwischen haben andere Länder wie Chile und Ecuador haben in den vergangenen Jahren die Abtreibung in bestimmten Fällen wie Vergewaltigung, oder wenn das Leben der schwangeren Frau oder des Fötus in Gefahr ist, entkriminalisiert.