Mutmaßlich durch einen Angriff mit Schwimmdrohnen ist die von Russland erbaute Krim-Brücke in der Nacht zum Montag beschädigt worden. Der Autoverkehr über die Brücke, die das russische Festland mit der annektierten Halbinsel Krim verbindet, wurde nach mutmaßlich zwei Explosionen kurz nach drei Uhr nachts eingestellt. Auf Bildern, die von russischen Medien verbreitet wurden, ist zu sehen, dass die Straße in eine Fahrtrichtung abgesackt und in der Richtung beschädigt ist.
Erste Berichte russischer Medien, auch ein Brückenpfeiler sei beschädigt worden, wurden von den russischen Behörden dementiert. Die Eisenbahnbrücke soll von dem Angriff nicht betroffen sein, der Bahnverkehr ist nach Angaben des von Russland eingesetzten Verwaltungschefs der Halbinsel am Morgen wieder aufgenommen worden. Bei der Explosion wurde laut den Angaben russischer Behörden ein Ehepaar aus dem russischen Gebiet Belgorod auf der Brücke in seinem Wagen getötet. Ihre Tochter wurde verletzt.
Das russische Antiterrorkomitee teilte am Montagmorgen mit, der Angriff auf die Brücke sei vom ukrainischen Geheimdienst mit zwei Schwimmdrohnen verübt worden. Das Ermittlungskomitee leitete ein Verfahren wegen „Terrorismus“ ein. Kremlsprecher Dmitrij Peskow sagte, die russischen Behörden unternähmen alles, um eine Wiederholung eines solchen Angriffs unmöglich zu machen: „Wir sind uns der Boshaftigkeit des Kiewer Regimes bewusst“, sagte er. Russlands Antwort auf den Angriff bestehe „in der Erreichung aller Ziele der militärischen Spezialoperation”. So lautet die offizielle Bezeichnung des Kriegs gegen die Ukraine in Russland.
Geheimdienst der Ukraine bekennt sich indirekt
Die Ukraine hat sich nicht offiziell zu dem Vorfall bekannt. Präsidentenberater Mychajlo Podoljak schrieb auf Twitter: „Jede illegale Konstruktion, die für den Transport russischer Werkzeuge des Massenmordes verwendet werden, sind nicht langlebig. Unabhängig von der Ursache ihrer Zerstörung.“
Der ukrainische Geheimdienst SBU bekannte sich indirekt zu dem Angriff: Alle Details zu den vom SBU organisierten Explosionen würden nach dem Sieg der Ukraine veröffentlicht, sagte ein Sprecher. „Bis jetzt beobachten wir mit Interesse, wie ein Symbol des Putin-Regimes ein weiteres Mal die militärische Belastung nicht ausgehalten hat.“ Mehrere ukrainische Medien berichteten unter Berufung auf ungenannte Quellen in den Sicherheitskräften, der Angriff auf die Brücke sei eine gemeinsame Operation von SBU und ukrainischer Marine gewesen.
Das russische Militär hatte schon in der vergangenen Woche von ukrainischen Versuchen berichtet, die Krim-Brücke anzugreifen, die für den Nachschub der Besatzungstruppen im Süden der Ukraine von großer Bedeutung ist. So hatte ein Militärsprecher am 10. Juli behauptet, die Ukraine habe eine S-200-Rakete in Richtung der Brücke geschossen.
Schon am 8. Oktober vorigen Jahres hatte die Ukraine die Krim-Brücke erstmals schwer beschädigt. Damals hatte die Explosion eines mit Sprengstoff gefüllten Lastwagens einen Teil der Fahrbahn ins Wasser stürzen lassen und den Brand eines mit Treibstoff gefüllten Zuges auf der Eisenbahnbrücke verursacht. Zu diesem Angriff hat sich die Ukraine inzwischen offiziell bekannt. Die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar bezeichnete die Explosion vor einer Woche am 500. Tag der russischen Invasion auf ihrem Telegramkanal als „erfolgreiche Operation“ zur Unterbrechung der russischen Logistik.
Touristen sollen Ruhe bewahren
Die russischen Behörden riefen die Bevölkerung und die Touristen auf der Krim zu Ruhe auf. Es sei kein Mangel an Treibstoff und Lebensmitteln zu erwarten. Für Autofahrten auf die Krim oder das Festland solle die Route über die „neuen Gebiete“ genutzt werden – damit sind die russisch besetzten Gebiete im Süden der Ukraine gemeint. Diese sind allerdings nicht sicher. Ende Juni wurde die Tschonhar-Brücke, über welche die kürzeste Verbindung führt, durch ukrainische Raketenangriffe beschädigt und musste für einige Tage geschlossen werden. Russische Spediteure, die von den Behörden angehalten werden, für Transporte auf die Krim den Landweg zu nutzen, klagen darüber, dass die Strecke teuer und gefährlich sei. Lastwagen dürfen die Krim-Brücke seit der Explosion am 8. Oktober vorigen Jahres nicht mehr befahren.
Der Bau der Krim-Brücke war nach der Annexion der Halbinsel durch Russland im Jahr 2014 ein von Präsident Wladimir Putin persönlich begleitetes Prestigeprojekt. Er fuhr 2018 bei der Eröffnung der Brücke persönlich das erste Auto, das sie offiziell überquerte. Auch die Wiedereröffnung der reparierten Brücke nach der Explosion am 8. Oktober vorigen Jahres nahm er persönlich vor.