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Streit um Welterbe-Status für japanische Bergwerke

Wenn es um koreanische Zwangsarbeiter in der Kolonial- und Kriegszeit zwischen 1910 und 1945 geht, dann ist Streit zwischen Japan und Südkorea vorprogrammiert. Die Beziehungen zwischen den Nachbarländern befinden sich seit Jahren tief im Tal, nachdem südkoreanische Gerichte japanische Unternehmen zur Entschädigung von koreanischen Ex-Zwangsarbeitern verurteilten. Darauf verhängte Tokio Sanktionen gegen die südkoreanische Halbleiterindustrie. Japan verweist auf vertraglich geleistete Reparationszahlungen, Südkorea moniert fehlende Reue und Schuldbewusstsein.

In das Feuer dieses Dauerstreits hat Japan nun kräftig Öl gegossen: Die Regierung stellte einen Antrag bei der UN-Sonderorganisation UNESCO, die Gold- und Silberbergwerke auf der Insel Sado als Weltkulturerbe anzuerkennen. Dafür müssen die Stätte und ihre Geschichte einen “herausragenden universellen Wert” für die internationale Gemeinschaft besitzen. Doch der japanische Antrag erwähnt nicht, dass in Sado im Zweiten Weltkrieg viele koreanische Zwangsarbeiter schufteten. Deswegen protestierte die Regierung in Seoul gegen den japanischen Schritt. Die Zeitung “Korea Herald” kritisierte ihn als “plumpen Versuch, die Brutalität während der japanischen Herrschaft über Korea zu beschönigen.”

Keine Annäherung in Sicht

Die Außenminister beider Länder haben inzwischen zwei Mal ihre Standpunkte ausgetauscht. “Japan ignoriert die schmerzhafte Geschichte der Zwangsarbeit für Südkoreaner”, sagte der südkoreanische Außenminister Chung Eui Yong bei einem Telefongespräch Anfang Februar. “Wir können dieses einseitige Argument von Südkorea nicht akzeptieren”, antwortete sein japanischer Amtskollege Yoshimasa Hayashi. Bei einem Zusammentreffen der zwei Minister in Hawaii Mitte des Monats kam es zu keiner Annäherung, auch wenn Hayashi “aufrichtige und gründliche” Diskussionen anbot.

Die Entscheidung über die Anerkennung der Bergwerke als Weltkulturerbe fällt im Sommer 2023. Die Basis dafür ist die Meinung einer Beratergruppe, die Sado in der zweiten Jahreshälfte besuchen wird. Allerdings gehört derzeit nur Japan dem UNESCO-Auswahlkomitee an, nicht jedoch Südkorea.

Die ersten Stollen auf der Insel Sado 60 Kilometer nordwestlich von Niigata entstanden schon im 12. Jahrhundert. Laut dem Kulturministerium in Tokio betrieb Japan hier im 17. Jahrhundert die größte Goldmine der Welt. Auch Silber, Kupfer und Eisenerz wurde aus dem Boden geholt. Die Förderung von Metallen endete erst 1989. Die Bewerbung um die Anerkennung als Weltkulturerbe argumentiert ausschließlich mit der als Edo-Zeit bezeichneten Periode zwischen 1603 und 1867. Damals bauten die Arbeiter Gold und Silber mit einfachen Handwerkzeugen ab, während diese Arbeit in anderen Ländern bereits mechanisiert worden war. Heute dienen einige Stollen als Museum. Von der Anerkennung als Weltkulturerbe erhofft sich die Insel mehr Besucher sowie staatliche Finanzhilfen.

Das Unternehmen Mitsubishi hatte 1896 eines der Bergwerke gekauft und die Förderung auf den damaligen Industriestandard modernisiert. Zwischen 1940 und 1945 beschäftigte Mitsubishi dort mindestens 1500 Koreaner, als männliche Japaner zum Wehrdienst eingezogen wurden. Laut dem japanischen Historiker Yasuto Takeuchi existieren historische Aufzeichnungen über Fluchtversuche von über 100 Koreanern aus den Minen. “Das beweist, dass sie zur Arbeit gezwungen wurden”, sagte Takeuchi der “New York Times”. Hinweise darauf finden sich auf Sado jedoch nicht. Zwischen 1910 und 1945 wurden insgesamt 780.000 Koreaner in Fabriken und Bergwerken in Japan zur Arbeit gezwungen, oft unter schlechten Bedingungen, ohne Bezahlung und ohne Urlaub.

Druck von Japans Neokonservativen

Premierminister Fumio Kishida wollte die Bewerbung als Weltkulturerbe ursprünglich auf Eis legen, um die Beziehungen zu Südkorea nicht zu belasten. Doch der Regierungschef beugte sich dem Druck von Neokonservativen in seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP), darunter sein Vorvorgänger Shinzo Abe. “Wir wissen, dass Südkorea eine eigene Meinung hat”, erklärte Kishida. “Daher sollten wir einen vernünftigen und rationalen Dialog führen.”

Der Premier verdankt dem rechtskonservativen Flügel seine Wahl zum LDP-Vorsitzenden im September vergangenen Jahres und sendet daher gelegentlich entsprechende Signale. Im Oktober zum Beispiel schickte er eine Opfergabe an den umstrittenen Yasukuni-Schrein und verärgerte damit China und Südkorea. Der Schrein ist den 2,5 Millionen japanischen Kriegstoten seit dem 19. Jahrhundert geweiht, darunter auch verurteilte Kriegsverbrecher.

Allerdings sticht Kishida mit der Bewerbung der Bergwerke als Weltkulturerbe in ein Wespennest. Zum einen hatte sich Japan vor fünf Jahren der Registrierung von Unterlagen zum Nanking-Massaker von 1937 als “Welterinnerung” widersetzt, eine andere UNESCO-Kategorie neben dem Weltkulturerbe. Japanische Truppen hatten in Nanking Gräueltaten an der chinesischen Zivilbevölkerung verübt. Japan verlangte, die Registrierungsregeln für “Welterinnerungen” zu überarbeiten. Seitdem erlaubt die UNESCO es anderen Staaten, die Registrierung zu blockieren. Nun löst Japan eine ähnliche Kontroverse beim Weltkulturerbe aus, indem es den Einwand von Südkorea ignoriert.

Zum anderen läuft bei der UNESCO bereits eine Auseinandersetzung um koreanische Zwangsarbeiter in über 20 japanischen “Orten der industriellen Revolution in der Meiji-Zeit (1868-1912)”, die bereits 2015 als Weltkulturerbe anerkannt wurden. Damals hatte Südkorea ebenfalls kritisiert, dass die japanische Seite die Ausbeutung von Koreanern durch Zwangsarbeit unberücksichtigt gelassen hatte. Darauf hatte Japan der UNESCO versprochen, an diesen Stätten an die koreanischen Opfer angemessen zu erinnern. Im Vorjahr stellte das Komitee für Weltkulturerbe jedoch fest, dass dieses Versprechen nicht eingehalten wurde. Bis Ende Dezember sollte die Regierung in Tokio mitteilen, wie sie diese Situation verbessert wolle. “Japan wird zum Land, das keine Verantwortung für seine eigene Worte übernimmt”, kritisierte der koreanische Historiker Hwang Sun Ik.

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