Synchrotronstrahlung ist ein unverzichtbares Hilfsmittel für Forscher aller Disziplinen, die die Struktur und die Beschaffenheit von Werkstoffen und Materieproben aufklären wollen. Es handelt sich um elektromagnetische Strahlung mit Wellenlängen vom Infrarot bis in den Röntgenbereich mit hoher Leuchtstärke und Brillanz. Sie wird üblicherweise von Elektronen erzeugt, die auf gekrümmte Bahnen gezwungen werden, etwa beim Umlauf in einem Speicherring oder durch einen Slalom-Parcours aus hintereinander angeordneten Dipolmagneten wechselnder Polarität – sogenannten Undulatoren. Auf welche Weise Synchrotronlicht auch erzeugt wird, alle Verfahren erfordern energiereiche Elektronenstrahlen, die mit großen ringförmigen oder linearen Teilchenbeschleunigern auf Touren gebracht werden müssen.
Mit einer Länge von 3,4 Kilometern ist der Freie-Elektronen-Laser XFEL in Hamburg die weltweit größte Anlage für Synchrotronstrahlung im Röntgenbereich. Allein der zugehörige Teilchenbeschleuniger erstreckt sich über eine Länge von rund zwei Kilometern. Wegen der Größe, vor allem aufgrund der hohen Kosten moderner Synchrotronquellen sucht man nach Wegen, Synchrotronlicht mit weniger Aufwand, vor allem mit deutlich kleineren Anlagen zu erzeugen. Dadurch könnte die begehrte Strahlung schließlich auch im Labor erzeugt werden und etwa für Materialforscher oder Biologen für ihre Analysen vor Ort zur Verfügung stehen.
Eine Möglichkeit eröffnet der sogenannte Plasmabeschleuniger. Dieser vielversprechende Ansatz beruht auf theoretischen Überlegungen aus den Siebzigerjahren. Elektronen werden hier nicht mit starken und hochfrequenten elektrischen Feldern beschleunigt, sondern mit Plasmawellen. Auf diese Weise lassen sich kompakte Teilchenbeschleuniger realisieren, die tatsächlich bequem auf einem Labortisch Platz haben. Das Plasma selbst wird gewöhnlich über eine Gasentladung und einem intensiven Laserstrahl erzeugt und angeregt, den man auf Gasatome richtet. Dafür verwendet man meist Hochleistungslaser, was den technischen Aufwand wieder erhöht. Das Plasma lässt sich aber auch einfacher nur über eine Gasentladung zünden und mit Elektronen anregen.
Diesen Weg geht eine italienische Forschergruppe von den Laboratori Nazionali di Frascati. Herzstück ihres Plasmabeschleunigers ist ein drei Zentimeter langes und zwei Millimeter dünnes Röhrchen, das mit Wasserstoffgas gefüllt ist. Ein kurzer hoher Spannungspuls von mehreren Tausend Volt zerreißt die Atome in ihre Bestandteile, und es entsteht ein heißes Plasma aus Elektronen und Protonen. Ein eingestrahlter grüner Laserstrahl eines Nd-YAG-Lasers stabilisiert, das ionisierte Gas.
Im Slalom durch einen Magnetfeldparcours
Zwei Elektronenpakete, sie werden von kurzen Laserpulsen aus einer Kupferelektrode herausgeschlagen, treffen nach einiger Flugstrecke von einigen Zentimetern mit einer Anfangsenergie von knapp 88 Milliarden Elektronenvolt (MeV) kurz nacheinander im Inneren des Röhrchens ein. Das erste Elektronenbündel fungiert als eine Art Treiber und bringt die frei beweglichen Elektronen des Plasmas zum Oszillieren. Dabei bauen sich starke elektrische Felder auf. Diese geben den einlaufenden Elektronen des zweiten Pakets einen zusätzlichen Schub von gut sechs MeV mit auf den Weg. Das Ergebnis ist ein Elektronenpuls von rund 94 MeV. Zum Vergleich: Gängige Teilchenbeschleuniger mit ihren hochfrequenten Hohlraumresonatoren schaffen pro Meter Beschleunigungsstrecke gerade mal 30 bis 100 MeV.
Wie Riccardo Pompili und seine Kollegen in der Zeitschrift „Nature“ berichten, konnten sie zwei Probleme von Plasmabeschleunigern gut in den Griff bekommen: die Energiestabilität und die Qualität der beschleunigten Elektronenstrahlen. So schwankte die mittlere Energie der Teilchen bei 500 Schuss nur um 0,2 Prozent. Die Ursache für die Schwankung war nicht das fluktuierende Plasma, wie es häufig der Fall ist, sondern der variierende zeitliche Abstand zwischen den Elektronenpaketen.
Dass man die Bündel von Elektronen aufgrund ihrer hohen Qualität bereits dazu nutzen kann, wie in einem klassischen Freie-Elektronen-Laser kohärente Synchrotronstrahlung zu erzeugen, haben Pompili und seine Kollegen in ihrem jüngsten Experiment gezeigt. Sie ließen die geladenen Teilchen im Slalom durch fünf etwa zwei Meter lange Undulatoren laufen. Bei jeder Richtungsänderung der Elektronen, induziert von den wechselnden magnetischen Dipolfeldern entstand infrarotes Synchrotronlicht. Die Forscher um Pompili haben es zu einem intensiven Strahl mit einer Wellenlänge von 820 Nanometern gebündelt und mit einem Spektrometer untersucht.
Mit Elektronenenergien von einigen Hundert Elektronenvolt – die mit der Laser-Plasma-Technik durchaus möglich sind – wollen die italienischen Forscher in den blauen und ultravioletten Spektralbereich vordringen. Dazu soll der Plasmabeschleuniger optimiert werden. Ihr Ziel sind elektrische Felder im Wasserstoffplasma von einem Gigavolt pro Meter. Das wollen sie mit einem vierzig Zentimeter langen Plasmaröhrchen erreichen.
Ob der Aufbau der Forscher aus Frascati jemals mit den großen Synchrotronanlagen konkurrieren kann, ist ungewiss. Dazu müsste er rund um die Uhr laufen können und höhere Pulsraten erzeugen. Das ist eine große Herausforderung für alle Forscher, die an Plasmabeschleunigern arbeiten, aber kein unlösbares Problem, wie unlängst Physiker vom Forschungszentrum Desy in Hamburg zeigen konnten. Ihnen ist es gelungen, einen plasmabetriebenen Teilchenbeschleuniger dreißig Stunden lang ohne Unterbrechung am Laufen zu halten.