Im September vergangenen Jahres eröffnete die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel feierlich den „WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence“ der Weltgesundheitsorganisation. Gründungspartner sind das Robert-Koch-Institut und die Charité in Berlin, Partner für Künstliche Intelligenz ist das Hasso-Plattner-Institut. In Berlin entsteht damit ein neuer Baustein einer globalen Forschungslandschaft, die künftige Pandemieausbrüche frühzeitig erkennen, bewerten und im besten Fall verhindern soll.
„Der WHO Hub fördert die Zusammenarbeit auf der ganzen Welt. Wir verwenden die besten Technologien und die aussagekräftigsten Daten, um Risiken für künftige Epidemien und Pandemien zu erkennen und zu verstehen“, kündigte der Leiter Chikwe Ihekweazu damals an. Datenverfügbarkeit, Zusammenarbeit, Schnelligkeit – die zentralen Stichworte jeder globalen Epidemie- und Pandemiebekämpfung nicht erst seit Covid-19. Die aktuelle Pandemie hat ihre Bedeutung in dramatischer Weise unterstrichen. Mit jeder Phase der Pandemie hat die globale Forschungsgemeinschaft dazugelernt. Der Schlüssel dabei ist der rasche Zugang zu den genetischen Informationen der Krankheitserreger, zu der international so bezeichneten Digital Sequence Information (DSI).
Auch die Pandemieprävention profitiert
Zuletzt Ende 2021 konnte die Welt beobachten, wie wichtig es war, dass südafrikanische Forscher in Echtzeit ihre Erkenntnisse über die Genomdaten der Omikron-Variante teilten – namentlich über die auch durch Deutschland unterstützte Datenbank GISAID (Global Initiative on Sharing All Influenza Data). Aus den Ergebnissen dieser und weiterer Genomsequenzierungen entstand erneut der „Rohstoff“ für die weltweite Forschungsgemeinschaft. Damit wurde ermöglicht, schnell von einer genetischen Sequenz zu Impfstoffdesign und Herstellung zu gelangen. Die ersten angepassten Impfstoffe gegen Omikron sollen ab Frühjahr 2022, also wenige Monate nachdem Informationen zu der neuen Variante bekannt wurden, zur Verfügung stehen. Auch die Pandemieprävention profitiert. Das deutsche Biotechnologieunternehmen Biontech und der britische AI-Spezialist InstaDeep gaben im Januar 2022 bekannt, ein Frühwarnsystem für Virusvarianten entwickelt zu haben.
Auf Basis der weltweit und zeitnah bereitgestellten DSI-Daten könnte das Gefahrenpotential neuer Varianten innerhalb weniger Tage modelliert werden und Forschern wie Impfstoffentwicklern ein wirksames Instrument an die Hand gegeben werden. Genetische Informationen als Basis erfolgreicher Impfstoffentwicklung und Prävention – ohne den weltweiten Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse wäre die Pandemie definitiv verheerender und tödlicher verlaufen. Wie können wir also sicherstellen, dass diese außergewöhnliche internationale Zusammenarbeit und die gemeinsame Nutzung von Daten durch Wissenschaft und Pharmaunternehmen weiterhin Bestand haben? Um es klar zu sagen: Wir können es derzeit nicht.