Um eines muss sich die Militärregierung in Mali zurzeit keine Gedanken machen: Die weitgehende Unterstützung der Bevölkerung ist ihr sicher. Und das bekommt sie zu spüren – so bei einer Solidaritätskundgebung vergangene Woche in der Hauptstadt Bamako. “Diese Soldaten sind unsere Hoffnung”, sagte Demonstrantin Mariam Simpara Diakité der Nachrichtenagentur AFP, und Bakabigny Keita betonte: “Ohne Sicherheit funktioniert nichts. Kein Ackerbau, kein Handel, keine Viehzucht.” Das Militär sei da, um für die Sicherheit zu sorgen. “Unsere Unterstützung zu zeigen, ist das Mindeste, was wir tun können.”
International fährt die Übergangsregierung von Oberst Assimi Goita, die sich vor einem knappen Jahr mit einem “Putsch im Putsch” die Macht sicherte, einen Kurs, der sie immer weiter in die Isolation führt. Insbesondere die massiven Sanktionen des westafrikanischen Wirtschaftsblocks ECOWAS treiben die Preise im Land in die Höhe. Weil die Übergangsregierung in Bamako und die ECOWAS unterschiedliche Vorstellungen haben zu Wegen zur Demokratisierung, bleiben die Grenzen geschlossen, der Handel ruht mit Ausnahme einiger grundlegender Produkte und Mali ist von den westafrikanischen Banken abgeschnitten.
Nun gibt es Hinweise darauf, dass möglicherweise nicht alle Putschisten diesen Kurs mittragen. Am Dienstag wurde bekannt, dass der bisher als juntatreu eingestufte Oberst Amadou Keita vergangene Woche festgenommen worden war – als einer von mehreren mutmaßlichen Beteiligten an einem vereitelten Putschversuch, den die Militärführung Montagabend öffentlich machte. Regierungssprecher Amadou Maiga nannte die Ereignisse, die sich nicht unabhängig bestätigen lassen, einen “ungesunden Versuch, die Dynamik der Neugründung Malis zu brechen”.
Rückzug aus Regionalbündnis
Seit dem Putsch im Mai 2021 hat die Rhetorik der Distanzierung und gegenseitiger Beschuldigungen zwischen den neuen Machthabern und der internationalen Gemeinschaft an Fahrt aufgenommen. Erst am Sonntag hatte die Regierung ihren Austritt aus dem regionalen Sicherheitsbündnis G5-Sahel verkündet, vorgeblich, weil ihr seit Jahresbeginn der turnusmäßige Vorsitz der Organisation verweigert werde.
“Bis heute hat G5-Sahel alles dafür getan, dem malischen Präsidenten seine Rechte vorzuenthalten”, sagte Fousseynou Ouattara aus dem Nationalen Übergangsrat CNT der DW. “Und das liegt an der Einmischung eines Drittlandes.” Ouattara ist Vizepräsident der Verteidigungskommission im Übergangsrat, der derzeit als Parlament fungiert. Gefragt, auf wen er anspiele, nannte Ouattara Frankreich – die ehemalige Kolonialmacht, von der sich die Militärregierung immer wieder mit scharfen Tönen distanzierte.
Eine Reaktion aus Europa auf den Rückzug von G5-Sahel folgte prompt: Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte am Dienstag, man werde die EU-Ausbildungsmission in Mali weiter ruhen lassen.
Der Rückzug aus dem G5-Bündnis, zu dem außerdem Mauretanien, Burkina Faso, Niger und Tschad gehören, werde aber nicht viel ändern, sagte Fahiraman Rodrigue Kone von der Denkfabrik ISS Bamako der DW: “Die Möglichkeiten der gemeinsamen Truppe waren schon durch die Regierungskrisen in drei der fünf Mitgliedsstaaten eingeschränkt.” Auch Burkina Faso und der Tschad werden von einer Militärführung regiert, eine Rückkehr zur zivilen Verfassung ist in keinem der Länder in Sicht.
Verschiedenen Beobachtern zufolge dürfte sich Bamako mit dem jüngsten Schritt indes vor allem selbst schaden. Der ehemalige Verteidigungsminister vom Niger, Kalla Moutari, wies darauf hin, dass sich Mali bereits aus der aktiven Mitarbeit zurückgezogen habe. Mit seinem Austritt habe das Land nun jedoch keinen Anspruch mehr auf die vielfältige finanzielle und technische Unterstützung aus dem Ausland, die über die Kooperation mit den G5-Staaten zum Zuge komme.
Mali, Russland und der Westen
Die Abkehr von alten Verbündeten ist für Mali auch eine Neuorientierung: “Mali versucht seit einiger Zeit, seine Allianzen neu zu definieren, und stützt sich dabei auf Russland”, sagt Sicherheitsexperte Rodrigue Koné. Tatsächlich habe Mali über seine langen Beziehungen zu Russland Ausrüstung für den Anti-Terror-Kampf bekommen, sagt Mali-Kenner Olaf Bernau vom deutschen zivilgesellschaftlichen Netzwerk Fokus Sahel im DW-Gespräch. Aber der Verlass auf die Großmacht Russland, die selbst durch den Ukraine-Krieg stark ins Abseits geraten war, sei für die Putschisten nicht ohne Risiko. Es sei naheliegend, dass dies auch intern verschieden bewertet werde.
“Es stellt sich die Frage, ob man jetzt überall Feinde sieht und eine Kritik aus den Reihen des Militärs vorschnell als Putschversuch wertet”, sagt Bernau. Zudem versuche die Regierung alles, um die Bevölkerung hinter sich zu vereinen. “Da sind äußere und innere Feinde ein probates Mittel, um eine Stimmung zugunsten der Regierung aufrechtzuerhalten.” In einer Zeit, in der es häufiger zu Verhaftungen von Kritikern kommt, sei eine Einschätzung von außen schwer vorzunehmen: “Ist das der Ausdruck realer Spannungen innerhalb der Regierung? Ein Versuch, die Reihen zu schließen? Oder eine Mischung aus beidem?”
Malis eigener Weg
Die verhärteten Fronten bereiten Beobachtern zunehmend Kopfzerbrechen. Die malische Bevölkerung leide massiv unter den harten Sanktionen der ECOWAS, betont Olaf Bernau. “Die ECOWAS begeht hier einen ganz entscheidenden Fehler”, so der Experte. Die Bevölkerung lehne die Sanktionen ab, der Unmut steige und treibe Mali weiter in die Arme Russlands.
Die Zustimmung zum Militärputsch dürfe nicht verwechselt werden mit einer Ablehnung demokratischer Strukturen, sagt Bernau. Es gebe in der Bevölkerung einen positiven Bezug auf die Ereignisse ab 1991: Damals begegnete die Regierung zivilen Massendemonstrationen mit Gewalt, woraufhin eine Gruppe um den damaligen Oberstleutnant und späteren Präsidenten Amadou Toumani Touré putschte, später aber an eine zivile Regierung übergab.
Auch solche Stimmen gab es auf der Demo vom 13. Mai: “Wir zeigen der ECOWAS, dass wir diese Militärs für den Übergang erwählt haben”, sagte Amina Touré der AFP. “Die Dauer des Übergangs ist gar nicht unser Problem. Alles, was wir wollen, ist, dass unser Land seine Stabilität und seine Würde zurückerhält.”
Wichtig ist nun in den Augen des Mali-Kenners Bernau, dass demokratische Länder sich nicht von einer pauschalen Ablehnung leiten lassen, sondern eine gemäßigte Zusammenarbeit weiter zulassen.