Margarethe von Trotta sei eine “Meisterin der bewegten Bilder, eine der großen Filmemacherinnen unserer Zeit”, ließ Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anlässlich des 80. Geburtstag der Regisseurin und Schauspielerin mitteilen. Ihre Filme hätten ihn persönlich sein ganzes Leben und vor allem in seiner Jugend begleitet und stark geprägt. Für ihr Gesamtwerk wurde sie unter anderem 2018 in der Frankfurter Paulskirche mit dem Adorno-Preis und 2019 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.
Im Zentrum ihrer Arbeiten stehen Frauen, die Geschichte mitgeschrieben haben, wie Rosa Luxemburg, Hildegard von Bingen oder auch Hannah Arendt.
Filmemacherinnen sind damals eine Ausnahme
Dabei musste sich die junge Frau erst einmal in der von Männern dominierten Filmbranche behaupten. Das war in den noch sehr reaktionären 1960er-Jahren eine wahre Herausforderung. Die am 21. Februar 1942 geborene Margarethe von Trotta wächst als Tochter einer mittellosen Adligen und eines Malers in den Trümmern von Berlin auf, ehe die Familie nach Düsseldorf zieht. Sie absolviert die Mittlere Reife und besucht im Anschluss zwei Jahre die Höhere Handelsschule. Mit 18 Jahren geht sie nach Paris – und macht dort erste einschneidende Erfahrungen, die ihren Weg zum Film bereiten: Mit ihren französischen Freunden verbringt sie viele Tage im Kino. “Diese Filme haben mir die Augen geöffnet, was Kino sein kann”, erinnert sie sich im Interview mit dem SZ-Magazin: “Natürlich ist da der Wunsch entstanden, so etwas selbst einmal zu machen. Aber das waren die frühen Sechzigerjahre, da war gar nicht daran zu denken, dass ich als Frau diesen Weg einschlagen könnte.”
Von Trotta kommt über Umwege zum Film
Zurück in Düsseldorf holt sie ihr Abitur nach und studiert erst Kunst, später Romanistik und Germanistik in München und Paris. Beide Studiengänge bricht sie ab und besucht schließlich eine Schauspielschule in München. Dort lernt sie auch ihren Mann, Verlagslektor Jürgen Moeller, kennen. Auf die Heirat 1964 folgt 1965 die Geburt des einzigen Sohnes Felix. Parallel arbeitet von Trotta am Theater. Ab 1967 übernimmt sie erste Filmrollen.
Wichtig wird für sie die Arbeit mit Regisseur Rainer Werner Fassbinder: Sie dreht mit ihm “Götter der Pest” (1970) und “Warnung vor einer heiligen Nutte” (1971). Außerdem steht sie in der Verfilmung des Brecht-Stücks “Baal” (1970) mit ihm vor der Kamera. Regie führt Volker Schlöndorff, der ihr Leben nachhaltig beeinflusst: Von Trotta und der renommierte Regisseur verlieben sich und heiraten 1971. Zwanzig Jahre lang hält die Ehe. Mit ihm zusammen macht sie die ersten Schritte im Regiefach.
Schnell international erfolgreich
1975 führt Margarethe von Trotta das erste Mal Regie, gemeinsam mit Volker Schlöndorff bei “Die verlorene Ehre der Katharina Blum”. Ab 1977 ist sie solo unterwegs. “Volker stand meiner Arbeit gespalten gegenüber: Er war einerseits stolz auf mich, andererseits war meine Regielaufbahn für ihn schwer zu ertragen, besonders nachdem ich anfing, Preise zu gewinnen”, erzählt Margarethe von Trotta. Und die Preise kommen schnell: Bereits ihre erste, ganz eigene Regiearbeit, “Das zweite Erwachen der Christa Klages” (1978), wird unter anderem mit dem Bundesfilmpreis “Filmband in Silber” ausgezeichnet.
Mit ihrem dritten Film sichert sich Margarethe von Trotta schließlich den Platz am Ehrentisch deutscher Filmschaffender: Mit “Die Bleierne Zeit” (1981), einem Film über die Schwestern Gudrun und Christiane Ensslin, gewinnt sie 1981 als erste weibliche Filmemacherin in Venedig den Goldenen Löwen. Es ist der internationale Durchbruch für die 39-jährige von Trotta und eigentlich ein Grund, in der Bundesrepublik stolz auf sie zu sein. Aber bereits mit ihrem nächsten Film eckt die Regisseurin gewaltig an: “Heller Wahn” (1983) handelt von einer intensiven Frauenfreundschaft, die der Protagonistin die Kraft verleiht in ihrer unglücklichen Ehe aufzubegehren. “Die Frauenfreundschaft im Film war den Kritikern offenbar unheimlich”, resümiert von Trotta 2012 in einem Interview: “Da sind Rezensionen erschienen, solche derben, sexistischen Sachen, das kann man heute gar nicht mehr glauben. Diese Freundschaft wird so stark, das hat die Männer verunsichert und wütend gemacht.”
Von Trottas Weggefährtinnen sind starke Frauen
Von Trotta eckt aber nicht nur durch die Filme, die sie macht, an, sondern geht auch ganz bewusst auf Konfrontation: 1978 verklagt sie gemeinsam mit der feministischen Zeitschrift “EMMA” das Magazin “Stern” wegen sexistischer und pornografischer Darstellung von Frauen. Die Klage wird abgewiesen, aber die Frauen erzielen maximalen Effekt für ihre Sache: Sie rücken den alltäglichen Sexismus ins öffentliche Bewusstsein. Die Anfeindungen nach dem Film “Heller Wahn” (1983) bestärken Margarethe von Trotta schließlich, Geschichten von starken Frauen zu erzählen und so verfilmt sie 1986 die Lebensgeschichte von Rosa Luxemburg. “Diese Frau wurde auch ständig angegriffen”, erklärt von Trotta ihre Entscheidung für den Stoff.
Bei der Wahl ihrer Darsteller fällt auf: Margarethe von Trotta hat ihre Lieblinge. Barbara Sukowa spielt sowohl in “Die Bleierne Zeit” (1981) als auch in “Rosa Luxemburg” (1986) die Hauptrolle. Zuletzt arbeiten die beiden Frauen in “Die abhandene Welt” (2015) zusammen. 2012 besetzt von Trotta Sukowa zudem als “Hannah Arendt” im gleichnamigen Film.
Filmemachen ist etwas “Beglückendes”
Auch wenn Margarethe von Trottas spätere Filme gemischte Kritiken bekommen, schafft sie es immer wieder, starke Geschichten zu entdecken und umzusetzen: Der 2003 erschienene Film “Rosenstraße” erzählt beispielsweise die Geschichte von sogenannten Mischehen deutsch-jüdischer Paare und von ihrem Aufbegehren gegen die Bedrohung in Berlin 1943. Nach der Komödie über einen Zickenkrieg in New York, “Forget About Nick”, (2017) drehte sie zuletzt den Dokumentarfilm “Auf der Suche nach Ingmar Bergman”, den sie im Mai 2018 in Cannes präsentierte.
Anlässlich ihres 80. Geburtstag ist im deutschen Fernsehen der ARD nun auch ein Film über Margarethe von Trotta zu sehen. “Zeit der Frauen” zeichnet nach, wie bravourös die Filmemacherin sich in ihrer Domäne behaupten konnte – aber auch, wie schwierig es war, sich gegen die Ellenbogen der Männer durchzusetzen.