Städte in Deutschland reagieren auf die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den britischen Rockmusiker Roger Waters. Im Kölner Stadtrat haben sich Politikerinnen und Politiker am Dienstag gegen das geplante Konzert von Waters in der Lanxess-Arena am 9. Mai ausgesprochen – über Parteigrenzen hinweg. Die Grünen-Fraktion veröffentlichte einen offenen Brief, in dem die Lanxess-Arena als Veranstalterin aufgefordert wurde, “alles dafür zu tun, um das Konzert noch zu verhindern”. Der Brief wurde von Vertreterinnen von Grünen, CDU, SPD, FDP, Volt, einer Einzelmandatsträgerin und einem Einzelmandatsträger unterschrieben. Man stelle sich “geschlossen gegen jeden Antisemitismus”, hieß es.
In Frankfurt am Main (Bundesland Hessen) hatte schon zuvor ein Bündnis die Absage eines Konzerts von Waters gefordert, das für Ende Mai geplant ist. Waters sei durch antisemitische Propaganda aufgefallen und äußere sich bei Veranstaltungen judenfeindlich, hieß es in einer Anfang Februar veröffentlichen Erklärung. Die Unterzeichner nennen Waters einen “Antisemiten, Verschwörungstheoretiker und Israel-Hasser”. Der Musiker spreche sich für eine Diskriminierung jüdisch-israelischer Künstler aufgrund ihrer Herkunft aus und setze Musiker unter Druck, die in Israel auftreten wollten. Meinungsfreiheit habe eine Grenze, wenn es um den Schutz der Menschenwürde im öffentlichen Raum gehe.
Unterstützer der Boykottbewegung BDS
Hessens Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker argumentierte schon im Januar, dass Waters “mit zunehmender Aggressivität für die antisemitische Boykottbewegung BDS” eintrete. BDS steht für “Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen” und ruft Musiker, Sportler, Firmen und Politiker dazu auf, nicht in Israel zu investieren oder dort aufzutreten. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte gegenüber der “Jüdischen Allgemeinen” am Donnerstag, sie könne zwar kein Konzert verbieten, aber sie würde sich wünschen, dass Veranstalter darauf verzichteten, Konzerte mit Waters durchzuführen – “und wenn sie dennoch stattfinden sollten, dass er vor leeren Hallen spielt”. Roth sagte, sie bedauere die Entwicklung des Musikers, der mittlerweile “offenkundig zu einem aktiven BDS-Unterstützer und darüber hinaus Verschwörungstheoretiker” geworden sei.
Ein abgesagtes Konzert in der Lanxess-Arena wäre für Waters sicher ein finanzielles Desaster, handelt es sich dabei mit einem Fassungsvermögen von knapp 20.000 Menschen doch um die größte Konzerthalle Deutschlands. Waters selbst weist die Antisemitismus-Vorwürfe gegen seine Person immer wieder vehement zurück.
Rede vor dem UN-Sicherheitsrat
Roger Waters ist 79 Jahre alt, Brite und ehemaliges Mitglied der Avantgarde-Rockband Pink Floyd. In den letzten Jahren fällt er immer wieder mit seinen politischen Äußerungen auf. Am 8. Februar sprach der Musiker auf Einladung Russlands per Videoschalte vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. In seiner Rede sagte er unter anderem, er repräsentiere mit seiner Meinung mehr als die Hälfte der Menschheit. Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine sei zwar illegal gewesen, doch “nicht unprovoziert” erfolgt. Deswegen verurteile er “auch die Provokateure” – und dies ging an die Adresse Kiews – “auf das Schärfste”.
Waters forderte auch einen sofortigen Waffenstillstand: “Präsident Biden, Präsident Putin, Präsident Selenskyj, USA, NATO, Russland – Sie alle – bitte ändern Sie jetzt Ihren Kurs und stimmen Sie sofort einem Waffenstillstand in der Ukraine zu.” Russland hatte den Briten zu der Sitzung eingeladen – vermutlich, weil er sich in der Vergangenheit kritisch zu Waffenlieferungen an die Ukraine gezeigt und in einem Interview mit der “Berliner Zeitung” den russischen Präsidenten Wladimir Putin für dessen Entscheidungen gelobt hatte, die auf “Konsens” basierten.
Süffisante Repliken auf Waters’ Rede
Die Reaktion des ukrainischen UN-Botschafters Serhij Kyslyzja ließ nicht lange auf sich warten. In Anspielung auf den Pink-Floyd-Welthit “Another Brick In The Wall” sagte er: “Wie traurig für seine früheren Fans, dass er die Rolle eines weiteren Steins in der Mauer akzeptiert, einer Mauer russischer Desinformation und Propaganda.” Der stellvertretende US-Botschafter Richard Mills nutzte feine Ironie in seiner Antwort auf Waters’ Rede. Dessen musikalische Qualitäten stünden zwar außer Frage. “Seine Qualifikationen, zu uns als Experte über Waffenkontrolle oder europäische Sicherheitsbelange zu sprechen, erscheinen mir weniger einleuchtend.”
Es war nicht das erste Mal, dass sich Waters öffentlich zum Ukraine-Krieg äußerte. Im September 2022 hatte er dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj “extremen Nationalismus” vorgeworfen und den Westen dazu aufgerufen, Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen. Daraufhin erhielt er Auftrittsverbot im polnischen Krakau und wurde seitens der Stadtverwaltung zur “unerwünschten Person” erklärt.
Ehemalige Bandkollegen distanzieren sich
Dabei ließ Waters in der Vergangenheit auf Konzerten Ballons in Schweineform aufsteigen, auf denen ein Davidstern abgebildet war. Auf seiner aktuellen Tour lässt er den Hinweis einblenden, Menschen, die Pink Floyd mögen, seine Politik aber ablehnten, könnten sich verziehen (“fuck off”). Zuletzt hatten sich auch seine früheren Bandkollegen, die übrigens gegen den russischen Angriffskrieg Position beziehen, von Roger Waters distanziert. Anfang Februar bezeichnete Polly Samson, die Pink-Floyd-Songwriterin und Ehefrau von Waters’ ehemaligem Bandkollegen David Gilmour, Waters auf Twitter als “antisemitisch” und als “Putin-Apologeten”.
Die 1965 gegründete englische Gruppe Pink Floyd gehört mit Alben wie “The Dark Side of The Moon” oder “The Wall” zu den erfolgreichsten Bands der Rockgeschichte. Roger Waters stieg Mitte der achtziger Jahre aus der Band aus und verfolgt seither eine Solokarriere.