Wie viel Geld sind die Menschen bereit, für ein Gemälde, einen Perlenanhänger, einen Hasen aus Edelstahl oder ein abgetragenes Fußballtrikot auszugeben? Nun, es macht natürlich einen Unterschied, ob wir von Leonardo da Vincis “Salvator Mundi”, dem Anhänger von Marie Antoinette, dem “Rabbit” des Künstlers Jeff Koons oder dem Trikot der argentinischen Fußballlegende Diego Maradona sprechen.
Wenn man Aufzeichnungen griechischer Schreiber aus der Antike Glauben schenken darf, fanden Auktionen bereits 500 Jahre v. Chr. statt. Damals waren die Auktionsgüter Frauen, die als Ehefrauen versteigert wurden: Je schöner, desto höher die Gebote. Besitzer von weniger attraktiven Frauen gaben Berichten zufolge eine Mitgift dazu, um den Deal zu versüßen. Heutzutage – mit einer dramatisch veränderten Definition von “Auktionsgut” – sind Auktionen nach wie vor an der Tagesordnung, wobei Kunstgegenstände oder die Besitztümer berühmter Persönlichkeiten atemberaubende Summen erzielen.
Meine erste Auktionsnacht
Maradonas Trikot – das er trug, als er beim Fußball-WM-Spiel 1986 sein berüchtigtes “Hand Gottes”-Tor gegen England erzielte – wurde am 4. Mai bei einer Auktion von Sotheby’s in London für einen Rekordpreis von 8,4 Millionen Euro verkauft. Noch am selben Abend besuchte ich den sechsten und jüngsten europäischen Standort des Hauses in der deutschen Stadt Köln, um meiner ersten Versteigerung beizuwohnen.
Es war die dritte und letzte Serie von Live- und Online-Auktionen des Nachlasses der Modeikone Karl Lagerfeld. Die vorherigen “KARL”-Auktionen in Monaco und Paris im Jahr 2021 hatten zusammen unglaubliche 18,2 Millionen Euro eingebracht – das Vierfache der Vorabschätzungen. Zu den bei der jüngeren Auktion angebotenen Artikeln gehörten Werbeplakate aus den 1920er Jahren, Karl Lagerfelds charakteristische Accessoires wie Sonnenbrillen, fingerlose Handschuhe und Fächer, außerdem Modeskizzen, iPods und Katzenutensilien, die Choupette, der geliebten Birma-Katze des verstorbenen Designers, gehörten.
Als ich mich dem Eingang der imposanten Villa Oppenheim mit Blick auf den Rhein näherte, sah ich eine Menschenmenge, die bereits darauf wartete, zur Auktion zugelassen zu werden. Da Abendauktionen oft ausgefallenere Angelegenheiten sind, bei denen die wertvollsten Artikel zum Verkauf stehen, entdeckte ich Bouclé-Jacken, Perlenketten mit ineinander verschlungenen “C”s und monochrome Ensembles – eine Hommage nicht nur an Karl Lagerfelds ganz eigenen Sinn für Fashion, sondern auch an seine jahrzehntelange Verbindung mit den Häusern von Chanel, Fendi und seinem gleichnamigen Label.
Der Auktionssaal selbst mit seinen Rundbogenfenstern und den kunstvollen Stuckdecken war kleiner, als ich erwartet hatte. Einige der ausgeschriebenen Plakate hingen an den Wänden. Das Podium des Auktionators stand vorn in der Mitte, mit einem kleinen schwarzen Beistelltisch, darauf eine Stofftiernachbildung von Choupette. Die Auktionatorin des Abends war Caroline Lang, die Vorsitzende von Sotheby’s Schweiz. Vor der Auktion sagte sie mir, es sei ihr “Talisman”: “Sie wird dort bleiben und mich beschützen und Botschaften von Karl empfangen.”
Ein Bildschirm an der Vorderseite zeigte die Auktionsgüter – die Lose – und die Gebote so an, wie sie abgegeben wurden – die Preise waren in allen wichtigen globalen Währungen notiert. Zwei weitere Bildschirme waren den Online-Geboten vorbehalten. Immer wenn ein Bietergefecht ausbrach, drehten sich unsere Köpfe von einem Bildschirm zum anderen, wie bei einem Tennis-Turnier.
“Warum aufhören, wenn es so viel Spaß macht?”
Das Bieten selbst begann mit wenig Tamtam. Nach einer kurzen Erklärung der Regeln legte Auktionatorin Caroline Lang los. Die Lose waren auch schnell ersteigert, entweder von einer Person im Raum oder via Telefon beziehungsweise Internet. Lang hatte damals als eine von wenigen Frauen in einem von Männern dominierten Bereich begonnen. Sie erzählte mir, wie sie bei ihrer ersten Auktion 1992 vor lauter Nervenkitzel zwei Kilo verloren hatte. “Und anstatt mit meinem Hammer auf Massivholz zu schlagen, habe ich mein Wasserglas zerschmettert. Es war wirklich sehr dramatisch, aber du lässt dich darauf ein”, erzählte sie lachend.
Mit 30 Jahren Auktionserfahrung führte Lang witzig und scheinbar mühelos in einer Kombination aus Englisch, Deutsch und Französisch durch den Abend. Sie spickte ihren “Gesang” – damit meine ich diese spezielle Sprechweise bei Auktionen – oft mit Lagerfeld-Zitaten; Sie brachte alle zum Lachen, als sie einen zaudernden Bieter anschubste:”Schauen Sie nicht so schockiert, bieten Sie einfach!”
Ein Schreibtisch oder ein Eis: Folge deinem Herzen
Während mich die gebotenen Summen erschütterten – eine von Lagerfelds Modeskizzen, die ursprünglich auf etwa 500 bis 800 Euro geschätzt worden war, ging für 32.760 Euro weg -, wurde ich einigen Bietergefechten gewahr, die um Artikel wie ein Paar Slipper aus Samt mit Monogramm ausbrachen. Einer, der wiederholt online mitbot, trug dabei eine faszinierende Nummer: 0007.
An einem besonders spannenden Bieterkrieg beteiligten sich ein Herr, der direkt vor mir saß, und ein anonymer Online-Bieter. Der Gegenstand, um den es ging, war Lagerfelds Arbeitstisch aus Aluminium, Glas und Plexiglas aus dem 20. Jahrhundert, der zusammen mit einem Zeitungsständer aus Edelstahl sowie einem Stuhl aus Metall und weißem Leder angeboten wurde. Als der anwesende Herr schließlich gewann, brachen alle in Applaus aus. Champagnerflöten wurden ihm und seinen Begleitern überreicht, was Lang zu einem Scherz veranlasste: “Sie können die ganze Flasche haben, wenn Sie wollen!”
Ich traf später auf ihn, als er auf sein Uber-Taxi wartete. Der umgängliche Geschäftsmann, der nur “Christian aus Hamburg” genannt werden möchte und “Karl Lagerfeld wegen seines Charakters mag”, sprach von einer “Herzensangelegenheit”: “Ich wollte eigentlich bei 5.000 und 10.000 Euro aufhören, aber manchmal muss man sein Herz fragen und es sprechen lassen. Obwohl ich eigentlich ein besonnener Geschäftsmann bin, wie Hamburger eben sind. Aber da habe ich ‘nein’ gesagt, das ist eine Herzensangelegenheit – und ich bereue es nicht”, sagte er über seinen neuen 35.280-Euro-Schreibtisch, der seinen 40 Jahre alten Schreibtisch ersetzen wird. Den hatte er seit seiner Studienzeit verwendet.
Die Abendauktion am 4. Mai übertraf schließlich alle Schätzungen und erzielte insgesamt 631.764 Euro. Die dreiteilige Auktion endete am Freitagabend.
Zwischenzeitlich stattete ich der Tankstelle in meiner Nachbarschaft einen Besuch ab, um mir ein Eis zu holen. Bei all dem Adrenalin bekam ich ein Verlangen nach Zucker. Passend zum Abend suchte ich mir eines aus, das den Namenszusatz “Gold-Karamell-Milliardär” trägt.