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Warum fürchtet sich Lauterbach vor dem Ultra-Omikron?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO kündigte bereits eine Sonderprüfung an, britische Boulevardblätter spekulierten zuletzt über die „Rückkehr der Masken“, in Teilen der USA bewegt man sich stramm auf die Hospitalisierungs- und Todesraten der BA.1-Welle zu: Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Corona-Alarmierungszug wieder besteigen würde. Auslöser für all das ist die Omikron-Subvariante XBB.1.5..

„Hoffentlich kommen wir durch den Winter, bevor eine solche Variante sich bei uns ausbreiten kann“, twitterte Lauterbach, vermutlich nach einem längeren Aufenthalt im globalen Omikron-Nachrichtenstrom, der die sozialen Medien die vergangenen Tage beherrschte. Tatsächlich zieht XBB.1.5. inzwischen fast vollständig die Aufmerksamkeit der Experten auf sich.

26 Länder bereits betroffen

Aber ist der Erreger wirklich so gefährlich, wie die Reaktion Lauterbachs vermuten lässt? Fakt ist: Die Variante breitet sich vom Nordosten der USA praktisch explosionsartig aus. Offensichtlich ist sie noch infektiöser als alle bisherigen Omikron-Subvarianten. Nicht überall jedoch, wo XBB.1.5. nachgewiesen wurde, ist man so alarmiert wie in den USA. Und nicht überall werden – offiziell jedenfalls – so stark ansteigende Covid-19-Fallzahlen registriert. Dabei ist die Variante weit verbreitet: Meldungen über XBB.1.5.-Nachweise hat die WHO mittlerweile aus 26 Ländern.

Die Ausbreitungsdynamik in den USA, wo die Impflücken deutlich größer sind als in Europa, ist nicht der einzige Grund, warum auch die UN-Gesundheitsbehörde in einer ihrer jüngsten Pressekonferenzen “Anlass zur Sorge“ äußerte. Vielmehr ist es das Virus selbst, das manche Experten zu Spekulationen verleitet. Zum ersten Mal nämlich handelt es sich mit XBB.1.5. um eine sogenannte Rekombinante, also eine genetische Mischung aus verschiedenen Varianten, und eben nicht nur um einen mutierten Abkömmling einer Coronavirus-Linie. Und diese Rekombinante setzt sich rasend schnell gegen andere Virusvarianten durch und verdrängt diese in kürzester Zeit.

Zu Rekombinationen kommt es etwa, wenn Teile des Erbguts unterschiedlicher Viren sich während der Vermehrung vermischen. Häufig passiert dies also bei Mehrfachinfektionen zu Zeiten, in denen viele unterschiedliche Erregertypen gleichzeitig und in großer Zahl unterwegs sind. Im Falle von XBB.1.5. waren die „Eltern“ die lange vorher zirkulierenden Omikronvarianten BJ.1 und BM.1.1.1. – zwei Virusvarianten von mittlerweile Hunderten anderen, von denen die Welt vorher kaum Notiz genommen hatte, und die auch nirgendwo eine Infektionswelle ausgelöst hatten.

Erhöhte Immunflucht und leichtere Bindung

Mit XBB.1.5. ist das offenkundig anders. Bei dieser Variante handelt es sich um eine durch zusätzliche Mutationen veränderte neue Evolutionsstufe der Ursprungsrekombinante XBB. Und schon XBB war vor Monaten in epidemiologischen Studien und Laborexperimenten durch eine erhöhte Immunflucht aufgefallen. Antikörper, die nach Impfungen oder Infektionen mit älteren Sars-CoV-2-Varianten gebildet worden waren, konnten XBB nicht neutralisieren.

Diese Eigenschaft der Immunflucht ist nichts Neues, vielmehr ist sie von Anfang an das Erfolgsgeheimnis von Omikron gewesen. XBB aber war mit dieser Optimierungsstrategie noch erfolgreicher. Nun aber, mit XBB.1.5 kamen zwei Mutationen hinzu, die dem Virus einen eklatanten Übertraungs-Vorteil verschaffen. Die beiden Mutationen befinden sich an einer ganz bestimmten Stelle im für die Ansteckung entscheidenden Spike-Protein, eine entscheidende Aminosäure wurde ausgetauscht. Diese Doppelmutation namens F486P sorgt nun dafür, dass sich das Virus stärker an die entsprechenden Bindungsstellen in der Nasen- und Mundschleimhaut des Menschen andocken kann. XBB.1.5. ist also zweifach optimiert: in Hinsicht auf die Immunflucht – was auch Geimpfte empfänglich für wiederholte Ansteckungen macht – und was die Ansteckungsgefahr angeht. Entstanden ist eine Art Ultra-Omikron.

Das bedeutet nach Einschätzung der Coronaexperten allerdings keineswegs, dass diese Rekombinante gefährlicher im Sinne von tödlicher ist. Jedenfalls wird der Anstieg an Krankenhauseinweisungen vor allem bei älteren Menschen auf die Impflücken und die extrem schnell steigende Zahl an Infektionen und bisher nicht etwa durch eine erhöhte Pathogenität erklärt.

Der südafrikanische Omikron-Experte Tulio de Oliveira hält es deshalb auch noch keineswegs für ausgemacht, dass XBB.1.5.sich in anderen Ländern oder gar weltweit durchsetzen, und riesige neue Pandemiewillen auslösen wird. Möglich, dass die in weiten Teilen schon aufgebaute Bevölkerungsimmunität gegen Omikron ausreicht, die gesundheitlichen Folgen in Grenzen zu halten. „Es ist auch nicht das erste Mal, dass Omikron-Rekombinanten mit der Spike-Mutation F486P aufgetaucht sind“, mahnt der südafrikanische Virologe. In Südafrika war lange vor XBB die Rekombinante XAY nachgewiesen worden, die ebenfalls mit der Mutation F486P ausgestattet war – und trotzdem bald wieder in der Versenkung verschwunden war.

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