Die Arbeiter hatten gerade damit begonnen, die Wasserversorgung im trockenen Süden der Provinz von Sevilla zu verbessern. Sie hatten noch nicht tief gegraben, da stoppte sie eine archäologische Sensation: Im Herzen von Andalusien stießen sie auf die bisher größte phönizisch-punische Nekropole im Landesinneren Spaniens.
Die steinernen Gräber stammen aus dem fünften und vierten Jahrhundert vor Christus. An der Stelle der früheren römischen Stadt Urso liegt heute die Kleinstadt Osuna. Nach einer ersten Einschätzung des regionalen Ministeriums für Kultur und historisches Erbe handelt es sich um „Überreste von unbestreitbarem Wert“, die wegen ihres Alters und Erhaltungszustands in der Region „beispiellos“ sind und sich allenfalls mit früheren Funden in der Küstenregion von Cádiz vergleichen lassen. 1100 vor Christus hatten die vom östlichen Mittelmeerufer stammenden Phönizier dort ihren Handelsstützpunkt Gadir gegründet, der als die älteste Stadt Spaniens gilt.
Die Grabanlage von Osuna weist nach ersten Erkenntnissen Parallelen zu Nekropolen auf Korsika und in Tunesien auf. Es sei ein „sehr bemerkenswerter Fund, da eine Nekropole dieser Art nur selten so weit im Landesinneren zu finden ist und sonst typisch für Küstengebiete ist“, sagt der Grabungsleiter Mario Delgado. Bisher wurden acht unterirdische Gewölbe freigelegt, die in das Gestein aus Kalkarenit geschlagen worden waren. Die luxuriösen Gräber geben zu der Vermutung Anlass, dass dort wohlhabende Personen bestattet wurden. In römischer Zeit waren sie dann überbaut worden. Die Entdeckung könnte einen Wendepunkt in der Geschichte Osunas bedeuten und neue Hinweise darauf geben, dass sie bis ins achte Jahrhundert vor Christus zurückreicht, sagt die Bürgermeisterin der Stadt, Rosario Andújar.
In der Gegend hatten Archäologen zuvor schon Funde aus der Zeit der Iberer gemacht. Später berichteten Geschichtsschreiber wie Plinius und Ptolemäus von Urso, das auf der Seite von Pompeius erfolglos gegen Julius Cäsar kämpfte. Heute leben in der südspanischen Kleinstadt, knapp 90 Kilometer westlich von Sevilla, gut 17.000 Personen. Fans der Serie „Game of Thrones“ kennen den Ort: Teile der fünften Staffel wurden auf den Straßen und in der Stierkampfarena gedreht.