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Bachmut – darum klammern sich die Ukrainer an die letzten Wohnblocks

Die “Zitadelle” in Bachmut ist gefallen, der Kampf um die Stadt aussichtslos. Doch es gibt einen Grund, warum die letzten Verteidiger sich noch nicht zurückgezogen haben.

Bachmut hält stand – aber wieso? In den letzten Tagen wurden die ukrainischen Verteidiger aus dem befestigten Gebiet der Zitadelle geworfen. Der westliche Rand der Stadt ist nun in russischer Hand. Kiews Truppen zogen sich über die Äcker zurück und halten eine Baumreihe zwischen Ivanivske und Bachmut. Dazu klammern sie sich an den südwestlichen Zipfel. Im Militärjargon wird die Zone “Flugzeug” genannt. Letzte Stützpunkte der Verteidigung sind die hohen Wohnblöcke am äußersten Ende der Stadt – Codename “Tetris”. Die umgebende flache Bebauung kann militärisch nicht gehalten werden und dürfte inzwischen in Trümmern liegen.

Überwältigende Feuerkraft der Russen 

In der Nacht wurde die gesamte ukrainische Zone beschossen und weite Teile gerieten dabei in Brand, als Brandsätze auf die Stellungen der Verteidiger herabregneten. Die Russen werden versuchen, die Ukrainer aus dem leicht bebauten Wohngebiet zu vertreiben und so die letzte Reihe von Hochhäusern in ukrainischer Hand zu isolieren. In der Stadt besteht wenig Aussicht, dass die Verteidiger erneut Gelände zurückerobern können. Auch ist es unwahrscheinlich, dass sie der massiven Feuerkraft der Wagner-Söldner lange widerstehen können.

Koordinierter Rückzug 

Wozu dient also der Widerstand? Der für sich genommen aussichtslose Kampf in dieser Zone dient dazu, den Rückzug der Truppen aus Bachmut über das unbebaute Gebiet nach Ivanivske zu decken und dort eine neue Verteidigung aufzubauen, die vermutlichen mit einer vorderen Linie entlang einer vorhandenen Baumreihe ergänzt wird. Die Ausläufer von Ivanivske liegen nur etwa 2,5 Kilometer von Bachmut entfernt. Auch hier sind die Distanzen gering. Das Schlimmste, was der Ukraine derzeit passieren könnte, wäre ein chaotischer Rückzug, den die Russen dazu nutzen könnten, die kleine Ackerzone zu überwinden und Fuß in der nächsten Siedlung zu fassen.

Letzer Versuch des Flankenangriffs nahe Bachmut

Gleichzeitig hat Kiew den Versuch nicht aufgegeben, doch noch einen Erfolg in der Umgebung von Bachmut zu erringen und über diese die Position der Russen in der Stadt zu gefährden. An beiden Flanken von Bachmut hat Kiew zwei Angriffe vorgetragen. An beiden Stellen gelang es, die Russen aus der ersten Linie zu vertreiben und ihre Gräben und offenes Gelände zu besetzen. Es kam aber nicht zu einem Durchbruch. Die Russen konnten eine weitere Linie besetzen und halten. Inzwischen wurden ihre Truppen verstärkt. Doch auch in den letzten Tagen versuchte die Ukraine im Süden weiter anzugreifen. Ziel ist der Ort Klischtschijiwka. Der Ort selbst ist schwer zu verteidigen, er liegt in einer Senke. Doch bislang konnten die Russen den befestigten Höhenzug vor der Stadt halten, während die Ukrainer sich langsam näher an die russischen Stellungen heranarbeiten konnten. Der ukrainische Angriff hat den ursprünglichen Überraschungsmoment verloren, die russischen Truppen sind stärker und sie besetzten die besseren Positionen. Dennoch greifen sie weiter an und versuchen, das System an russischen Gräben zu umgehen.

Sollte der letzte Zipfel von Bachmut fallen, sind die Aussichten auf einen Erfolg an der Flanke gering. Es steht zu befürchten, dass die Russen dann ihrerseits den Angriff in ihrer Flanke attackieren und die Ukrainer sich zurückziehen würden. Die Feuerkraft ihrer Artillerie, die sich bisher auf die Stadt konzentriert, würde auf die improvisierten Befestigungen der ukrainischen Streitkräfte einwirken. Gleichzeitig würde das Gros der Wagnertruppen in Bachmut frei und könnte an anderen Orten zum Einsatz kommen. Kurzum: Es ist ein riskantes Manöver und die Zeit läuft ab, in der Kiew mit seinen Gegenstößen einen substantiellen Erfolg in dieser Zone erreichen kann.

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