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EU-Asylreform: Scheitert Reform an Deutschland?

In Luxemburg beraten die EU-Innenminister am Donnerstag (08.06.) über Pläne der EU-Kommission für  schärfere Asylregeln. So sollen Asylanträge in Zukunft schon an den EU-Außengrenzen geprüft werden können. 

Wird Deutschland dem zustimmen? Man habe sich “dafür entschieden, dass wir die eu­ropäische Reform des Asylsystems un­terstützen und voranbringen wollen”, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag (06.06.) in Berlin. In der EU wird seit der großen Fluchtbewegung im Jahr 2015 und 2016 darum gestritten, ob Schutzsuchende auf alle Mitgliedstaaten verteilt werden. Auch dies sieht der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission vor.

Geht Deutschland nun nicht mit, dann dürfte es schwer sein, die nötige Mehrheit für die Reform hinzubekommen. Doch die Vorschläge sind innerhalb der von Scholz geführten Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hoch umstritten – und auch aus der Opposition gibt es heftige Kritik.

Die Grünen: “Einzige Chance”

Viele Grünenpolitiker tun sich schwer damit, dass Schutzsuchende in Zukunft wochenlang in Einrichtungen an den EU-Außengrenzen festgehalten werden könnten, während ihre Anträge geprüft werden. In ihrem Wahlprogramm hatten die Grünen dies 2021 klar abgelehnt. 

Nun will die Grünen-Spitze dem zustimmen. Dies sei die einzige realistische Chance, auf absehbare Zeit überhaupt zu einem geordneten und humanen Verteilungsverfahren in der EU zu kommen, sagt Außenministerin Annalena Baerbock. Allerdings verhandele man hart, um sicherzustellen, “dass Familien mit Kindern nicht ins Grenzverfahren kommen, dass das Recht auf Asyl im Kern nicht ausgehöhlt wird”, so Baerbock im Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. 

Für viele Parteifreunde kommt dies jedoch einem Verrat der traditionell flüchtlingsfreundlichen Politik der Grünen gleich. In einem offenen Brief beklagten etwa 730 Parteimitglieder einen Kurs der “Abschreckung und Abschottung”.

SPD: “Momentum nutzen”

Auch innerhalb der Kanzlerpartei SPD gibt es Kritik an der geplanten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Sie ist jedoch weniger laut als bei den Grünen. 22 von 206 Angeordneten der SPD-Fraktion im Bundestag haben eine Stellungnahme unterzeichnet, die die Reform klar ablehnt. Darin heißt es: “Wir sehen die flächendeckende Einführung von Grenzverfahren kritisch, da sie haftähnliche Zustände befördern”.

SPD-Innenministerin Nancy Faeser dagegen beschwört seit einigen Wochen ein “historisches Momentum” für die EU-Flüchtlingspolitik, das man nun nutzen müsse. Spätestens seit dem Zuzug von Millionen an Flüchtlingen ab dem Jahr 2015 gilt die gemeinsame EU-Asylpolitik als gescheitert – trotz zahlreicher Reformversuche. 

“Wir haben in der Bundesregierung eine geeinte Position”, sagte Faeser dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Als deutsche Verhandlungsführerin in Luxemburg werde sie sich dafür einsetzen, dass Kinder und Jugendliche “mit ihren Familien direkt in die EU einreisen und keine Grenzverfahren durchlaufen müssen.” In ihrem Wahlprogramm hatte die SPD eine humanitäre und solidarische Asyl- und Flüchtlingspolitik in der EU gefordert. Ziel sei ein solidarischer Verteilungsmechanismus mit einem Recht auf Asyl.

FDP: “Keine Altersgrenzen” 

Auch die FDP fordert laut ihrem Wahlprogramm eine verbindliche Verteilung der Schutzsuchenden unter den EU-Staaten, “es sei denn, sie haben erkennbar keine Bleibeperspektive.” Gelinge eine solche Einigung auf EU-Ebene nicht in absehbarer Zeit, dann “sollte Deutschland mit gleichgesinnten Staaten vorangehen”.

In der FDP hofft man jedoch, dass der Gipfel von Luxemburg nun einen Durchbruch bringt für eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Sie appelliert deshalb dafür, dass Deutschland dem Vorschlag der EU-Kommission folgt und nicht mit Forderungen für Ausnahmeregelungen ein Scheitern riskiert. “Es braucht einheitliche Regeln, und diese können auch für unter 18-Jährige gelten”, sagte der Fraktionschef der FDP im Bundestag, Christian Dürr, der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Union: “Grenznahe Entscheidungszentren”

Die konservative Opposition von CDU/CSU ist im Grundsatz für die geplante Reform des EU-Asylrechts. CDU-Chef Friedrich Merz fordert seit Jahren eine Verschärfung des deutschen Asylrechts sowie “grenznahe Aufnahme- und Entscheidungszentren” an den EU-Außengrenzen. Von Ausnahmeregelungen, wie sie SPD und Grüne für Minderjährige fordern, hält man in Union deshalb nichts. 

Zum Recht auf Asyl bekennen sich alle Parteien im Deutschen Bundestag, neben den Ampelparteien also auch die konservativen Unionsparteien CDU/CSU und die Linken. Nur die AfD will das Recht Geflüchteter, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen, weitgehend abschaffen. 

AfD: “Selbstbestimmung auf nationaler Ebene”

Eine gemeinsame europäische Asylpolitik lehnt die AfD laut ihrem Wahlprogramm grundsätzlich ab. “Eine existentielle Frage wie die Zuwanderung muss in demokratischer Selbstbestimmung auf nationaler Ebene entschieden werden”, heißt es dort. 

Vom Streit um die richtige Asylpolitik scheint die Partei derzeit profitieren zu können. Die AfD, die in der Vergangenheit mit Rhetorik gegen Geflüchtete punktete, kommt in aktuellen Umfragen bundesweit auf 18 Prozent der Stimmen und zieht damit mit der SPD gleich. 

Linke: “Debatte ist irreführend”

Die Linke tritt für eine Liberalisierung der deutschen Asylpolitik ein. In einem Antrag im Bundestag forderte ihre Fraktion Ende April, Asylsuchenden in Deutschland nicht länger das Arbeiten zu verbieten, ihnen die regulären Sozialleistungen und eine uneingeschränkte Gesundheitsversorgung zu gewähren

Die Debatte um die EU-Grenzverfahren nennt Linken-Co-Chef Martin Schirdewan “irreführend, da es – anders als es klingt – keine vollwertigen Asylverfahren sind”. An den Außengrenzen sollten nicht die Schutzgesuche der Menschen geprüft, sondern Geflüchtete abgeschreckt werden, um sie schneller abschieben zu können, sagte er dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland”.

DeutschlandTrend: Mehrheit für Asylverfahren an Außengrenzen

Stimmen in Luxemburg 15 von 27 EU-Mitgliedstaaten für die Reform und stehen sie zusammen für mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU, dann können die Verhandlungen mit dem EU-Parlament starten. 

Auch in der deutschen Politik dürfte der Streit dann weitergehen – selbst zwischen Parteifreunden. Recht eindeutig ist jedoch das Stimmungsbild in der deutschen Bevölkerung. Für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen sprachen sich im ARD-DeutschlandTrend zuletzt vier von fünf befragten Deutschen aus.

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