m Jahr 2021 kostete das Gesundheitswesen Deutschland 474 Milliarden Euro. Fachleute gehen davon aus, dass es in diesem Jahr mehr als 500 Milliarden sein werden. Darin ist alles enthalten, von der selbstgekauften Kopfschmerztablette bis zur komplizierten Herzoperation.
Das viele Geld im System führt aber nicht dazu, dass alle zufrieden sind, im Gegenteil. Alle klagen: Pflegemitarbeiter, Hebammen, Apotheker, Psychotherapeuten, vor allem aber Patienten und Ärzte. Meistens geht es dabei um zwei Dinge: Geld und Zeit. Beides hängt miteinander zusammen. Ist genügend Geld vorhanden, können Ärzte sich ihren Patienten länger widmen. Muss gespart werden, dann zuerst dort, wo die Arbeit des Arztes am wenigsten einträglich ist, und das sind oft die Patientengespräche. Unter Druck gerät das Gesundheitswesen seit Jahren durch eine immer älter werdende Gesellschaft. Mehr und mehr Menschen müssen regelmäßig zum Arzt. So steigt die Unzufriedenheit auf allen Seiten. Welche Klagen aber sind berechtigt? Und wie lassen sich die Probleme lösen?
Zunächst zu den Ärzten: Immer wieder schließen einige ihre Praxen, weil sie die in ihren Augen „existenzgefährdenden Sparmaßnahmen“ der Politik nicht mehr mittragen wollen. Für die konsequenteste Form des Streiks haben sich die HNO-Ärzte entschieden. Seit Wochen haben sie ambulante Operationen der Gaumenmandeln bei Kindern eingestellt. Ein Kind, dessen Mandeln rausmüssen, bekommt jetzt also keinen Termin mehr dafür in der Praxis. Ein drastischer Schritt.
Der Hintergrund ist, dass die Ärzte für diese Operation jetzt weniger Geld bekommen, und zwar sieben Euro weniger. Darauf haben sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als Vertreterin der Ärzteschaft und der GKV-Spitzenverband als Vertreter der Kassen geeinigt. Laut dem Landesvorsitzenden Baden des Berufsverbands der HNO-Ärzte, Michael Deeg, rechnet sich die Mandeloperation damit nicht mehr. „Das war auch schon vorher so“, sagt er. Dass es nun noch weniger wurde, habe „aber das Fass zum Überlaufen gebracht“. Damit stellen sich HNO-Ärzte auch gegen ihre eigene Vertretung, die KBV. Die hatte sich mit den Kassen auf die Kürzung geeinigt. Sie hatte für die Ärzte unterm Strich sogar mehr Einnahmen ausgehandelt. Insgesamt bekommen sie für ambulante Operationen 2,3 Prozent mehr.
Alle versuchen, ihre Interessen durchzusetzen
Trotzdem haben die Kassen Verständnis für den Streik. „Perspektivisch ist das zu wenig“, sagt Roland Stahl von der KBV. „Die Positionen der HNO-Ärzte mögen sehr pointiert erscheinen, aber sie sind letztlich ein Indiz für eine vorherrschende große Frustration.“ Aus Sicht der Ärzte kommt zu viel zusammen: hohe Energiepreise, knappes und teures Personal, die Inflation und eine seit Jahren kaum gestiegene Vergütung.
Doch das sehen nicht alle so. Florian Lanz, der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, sagt: „Ich kann das allgemeine Klagen der Ärzte-Funktionäre nicht nachvollziehen, denn Ärzte in Deutschland verdienen im Schnitt wirklich gut.“ Lanz findet es problematisch, dass im Gesundheitswesen alle versuchten, ihre Interessen durchzusetzen, dabei aber ethisch-moralisch argumentierten. Das erschwere Kompromisse.
Tatsächlich verdienen Ärzte in Deutschland immer noch ziemlich gut. Im Schnitt nimmt eine Praxis laut Statistischem Bundesamt 602.000 Euro im Jahr ein. Zieht man die Sach- und Personalkosten ab, bleiben im Mittel noch 296.000 Euro übrig. Orthopäden verdienen etwas mehr, Kinder- und Jugendmediziner weniger. Die Zahlen stammen von 2019, neuere sind noch nicht veröffentlicht worden. In der Klinik hängt es von der Erfahrung und Position ab, wie viel ein Arzt verdient. Laut Tarifvertrag bekommt ein Arzt im kommunalen Krankenhaus im ersten Jahr seiner Weiterbildung rund 4900 Euro brutto im Monat. Ein Facharzt verdient rund 6400 Euro, ein Oberarzt etwa 8000 Euro.