Bei den Anwohnern und Ladenbesitzern in Eschweiler sitzt der Schock auch am Tag nach der verheerenden Explosion in der Fußgängerzone noch tief. „Es war wie eine Bombe. Es war wirklich schlimm. Das ganze Haus hat gewackelt“, erinnert sich Assma Saidi am Freitag an den lauten Knall, der am Donnerstagabend aus einem Wohn- und Geschäftshaus schräg gegenüber ihrer Wohnung kam. 14 Bewohner wurden dabei verletzt. Vier von ihnen, darunter ein zwei Monate altes Baby und dessen Mutter, schweben in Lebensgefahr. Die Ermittler schließen auch ein Fremdverschulden nicht aus.
In einem ganzen Straßenzug sind nach der Detonation Schaufenster geborsten und Fassaden beschädigt. Auch Läden gegenüber des vierstöckigen Hauses, aus dem die Detonationswelle kam, sind verwüstet. Die Straße ist übersät mit Scherben, am Boden liegen Klamotten, Schaufensterpuppen, Trümmer.
In ersten Äußerungen gingen Polizei und Feuerwehr von einer Gas-Explosion aus. Die Ursache war aber auch am Freitag noch unklar. Nach Angaben der Ermittler steht noch nicht fest, ob ein Unglücksfall oder Fremdverschulden vorliegt. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Aachen. Sachverständige seien eingeschaltet, Zeugen würden befragt. Bis die Ursache feststehe, werde es noch dauern.
Drei Personen aus dem Treppenhaus gerettet
Am Donnerstagabend um 21.19 Uhr seien die ersten Notrufe eingegangen, sagt Axel Johnen, Leiter der Eschweiler Feuerwehr, am Freitag. Er selbst wohne gut sieben Kilometer von dem Haus entfernt und habe den Knall gehört. Am Einsatzort habe sich die Lage noch viel dramatischer dargestellt als befürchtet. Auf der Straße hätten Verletzte gelegen, aus dem Haus Menschen gerufen, die Explosion verursachte auch ein Feuer in dem Gebäude. In dieser Heftigkeit habe er so etwas noch nicht erlebt, sagte der Feuerwehr-Chef.
Feuerwehrtrupps seien teils unter Lebensgefahr in das Haus, schildert er. Sie retteten unter anderem drei Personen aus dem Treppenhaus, die immer noch in Lebensgefahr schwebten: Das Baby, seine Mutter und einen Mann. Zudem sei eine Frau lebensgefährlich verletzt worden. Insgesamt wurden laut Feuerwehr 14 Bewohner verletzt. Dazu kamen zwei Feuerwehrleute, die sich an Splittern verletzten.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) dankt in Düsseldorf den Einsatzkräften: Sie hätten „unter Inkaufnahme eigener Risiken alles getan, um die Bewohner des Hauses schnellstmöglich zu retten“.
Nach außen gebeulte Mauern
Wie stark die Detonation war, zeigt auch die Tatsache, dass sich die Betondecke nach Angaben eines Statikers im hinteren Bereich des Gebäudes kurz anhob, wie Johnen berichtete. Die Mauern hätten sich dort teils nach außen gebeult, in dem Bereich sowie im Keller bestehe Einsturzgefahr.
Im hinteren Bereich des Gebäudes, einer ehemaligen, nicht mehr genutzten Backstube, war die Zerstörung laut Johnen am Größten. Ob die Explosion auch dort entstand, war aber unklar. Das Haus habe einen Gasanschluss. Feuerwehrleute hätten außerdem Gasflaschen gefunden. Es ist sei aber nicht klar, ob diese etwas mit der Explosion zu tun hatten.
In dem betroffenen Gebäude befand sich laut einem Sprecher der Stadt ein Bekleidungsgeschäft, in den drei Stockwerken darüber wohnten Menschen. „Schlimm waren die Leute, die drin waren. Die schrien um Hilfe“, erzählt Klaus Robrecht, der einige Meter entfernt wohnt. „Wir sind sofort rausgestürmt. Aber wenn Sie dann vor so einer Feuerwand stehen, da bringt der Feuerlöscher nichts mehr.“
Die Stadt mit 56.000 Einwohnern war im Sommer 2021 von der Flutkatastrophe betroffen gewesen. Damals standen Wasser und Schlamm hüfthoch in der Fußgängerzone, Läden wurden zerstört. „In der Straße war jedes Geschäft, jedes Haus betroffen“, erinnert die Eschweiler Bürgermeisterin Nadine Leonhardt. Von der Explosion sind laut Stadt 20 Einzelhändler betroffen. Anwohner wurden in der Nacht vorübergehend in einer evangelischen Kirche in der Nähe untergebracht.
„Gerade läuft es wieder – und jetzt das“, sagte Assma Saidi, die im Erdgeschoss unter ihrer Wohnung ein Modegeschäft betreibt. Es hat jetzt gebrochene Schaufensterscheiben hat. Sie habe erst vor fünf Monaten wieder aufgemacht, der Keller sei nach den Flutschäden immer noch nicht fertig.